«À CENA»

Lichte Nächte und mancher dunkle Tag

Julia ist wieder da! Im Hallenbad Wyler erfreut die ehemalige «Tredici»-Gastgeberin Julia Gurtner ihre Gäste bis Mitte März mit einem Tavolata-Konzept italienischer Prägung.

Jean-Claude Galli
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Kulinarischer Genuss mit Blick aufs (Hallenbad-)Becken. Bilder: jc

Zum Hallenbad Wyler haben wir eine ausgesprochen ambivalente Beziehung. Unter Anleitung einer extrem resoluten und schmerzhaft zupackenden ehemaligen Spitzenschwimmerin aus der Tschechoslowakei – 1968 mit ihren Eltern in die Schweiz geflüchtet, der Name ist uns leider gerade entfallen – mussten wir in den frühen 1990er-Jahren im Zuge unserer Ausbildung am Lehrerseminar Muristalden die Prüfung für das Lebensrettungsbrevet absolvieren. Zusätzlich waren uns solche Anstalten mit ihrer vermeintlich keimfreien Atomsphäre und dem dazugehörigen Chlorgeruch sowie den beängstigenden Akustik-Verhältnissen per se immer ein Graus.

Angenehme Gesellschaft

Nun kehren wir nach Jahren wieder zurück, zum Glück aber nicht ins lauwarme Wasser und den Haupttrakt, sondern in den zwischengenutzten Nebenbereich. Nur die schwarz gekachelte Wand in der Eingangszone und der Blick durch die hölzernen Lamellen Richtung Bassin erinnern noch an den früheren Zweck. Erwartet werden wir von Julia Gurtner, die uns bereits früher mehrfach im «Tredici» an der Rathausgasse verwöhnt hatte, als Gastgeberin, Köchin und Weinfrau in Personalunion. Mit ihrem Tavolata-Pop-up-Konzept «À Cena» gastierte die 36-jährige Emmentalerin im vergangenen Sommer schon in einer Garage im Mattequartier. Jetzt ist sie bis Mitte März 2026 an der Scheibenstrasse zu Hause. Und das Hallenbad-Trauma ist rasch weggespült.

Zwar bergen Tavolata-Runden immer das kleine Risiko, auf einen Holzkopf als Tischnachbarn zu treffen. Doch das ganze Setting von «À Cena» sorgt dafür, dass Krawallbrüder und Dummschwätzer hier garantiert fernbleiben. An unserer Tafel versammeln sich fünf hungrige, junge und wohlkultivierte Männer. Und gleich neben uns nimmt ein Paar Platz, das wir uns auch in den Vidmarhallen oder bei einer Lesung von Caroline Wahl vorstellen könnten.

Ein Schluck auf die Hochzeit

Nach dem Apéro – für die Dame ein Glas Sant’Agata Lambrusco di Sorbara von der Cantina Paltrinieri und für den Herrn ein Birra Moretti plus eine Schale mit erstklassigen Taralli – nehmen wir gegen halb acht an der langen Tafel Platz. Angekündigt sind «Italienische Klassiker und winterliches Soulfood». Die Rohstoffe sind von möglichst lokaler Herkunft und weisen Bio-Qualität auf.

Zum Auftakt gibt es dezent gewürzte Randenstücke mit Rucola-Baumnuss-Pesto sowie Bohnenmus, dazu Stücke vom klassischen Kichererbsenfladen Farinata di Ceci und eine Focaccia. Und wie es meistens ist in diesen Konstellationen, kommt bald die entscheidende Frage: Wein oder Wein (Wasser gibt es natürlich auch)? Nach kurzer Beratschlagung und Stichentscheid durch unsere Begleitung reisen wir geschmacklich in den äussersten Süden unseres Nachbarlandes und bestellen eine Flasche Heliocentric von der Azienda Agricola Kalma auf Sizilien, die die Rebsorten Frappato und Nero d’Avola vereint.

Julia Gurtner ist entzückt. «Das war mein Hochzeitswein», meint sie strahlend. Nach den ersten zwei Schlucken begreifen wir selbstredend, warum ihre Freude derart gross ist. Und stecken mit unserem Enthusiasmus schliesslich auch unsere Nachbarn für ihre Bestellung an. «Achtung, Flasche ist sehr schnell leer!», heisst es treffend auf der Lieferanten-Website von Trallala-Weine.

Was uns direkt zum Textanfang führt. Tatsächlich sass Trallala-Teilhaber Sascha Pauli vor langer Zeit einmal in exakt jener Schulstube, in der wir kurzzeitig unterrichteten. Davon blieb gottlob kein Trauma übrig. Weitere Weinpartner sind übrigens Cultivino und Cantina del Mulino mit einer Filiale an der Moserstrasse 13.

Küchenkönnerin

Zurück zum Kern der Sache: Wie im eigenen Wohnzimmer wird nun munter weiter aufgetischt. Im Pasta-Gang folgen Tagliatelle al ragù mit einer gut spürbaren, aber nicht aufdringlichen Zimtnote. In der vegetarischen Variante basiert der Sugo auf der Verwendung von Linsen. Grundsätzlich sei festgehalten: Bei der Reservation kann gerne der Wunsch nach einem vegetarischen Menü festgehalten werden. Gurtners Können zeigt sich gerade auch in diesem Bereich. Insbesondere beim Hauptgang.

Im Mittelpunkt steht dort der Klassiker Pollo alla Cacciatora. In der vegetarischen Variante spielt Sellerie die Hauptrolle, dazu kommen griechischer Joghurt, Kapern, Oliven und Haselnüsse. In beiden Fällen begleitet von knusprigen Kartoffelspalten aus dem Ofen.

Beim Dessert entzündet sich ein alter Streit. Doch keine Angst, die tschechische Schwimmerin taucht nicht mehr auf, der Zwist ist rein theoretischer Natur und tobt unter dem Arbeitstitel «Wer hats erfunden?» nur kurz in unserem Kopf. Serviert wird die luftige Brandteig-Spezialität Profiteroles. Dem Namen nach eine klassisch französische Schöpfung, die ihre Basis jedoch in der Pasticceria-Tradition der Lombardei und des Piemonts hat und von dort erst in die Menüpläne der gehobenen französischen Hotellerie und später Haute Cuisine geriet. Hocuse Bocuse!


INFOS

Küche: Die ganze Pracht des Südens
Service: Sehr aufmerksam
Ambiente: Nüchterne Klassik trifft Gemütlichkeit, ein Weihnachtsbaum folgt zeitnah
Preise: Menü 85 Franken pro Person exklusiv Getränke, jedoch absolut angemessen
Adresse: Scheibenstrasse 65, 3014 Bern
Offen von Mittwoch bis Freitag ab 18 Uhr.
Essen um 19.30 Uhr, nur mit Reservation unter www.juliagurtner.ch
Das Menü wird laufend angepasst.

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