WOHNGEMEINSCHAFT «AARESTRAND»

Preisgünstiger Wohnraum und Gemeinschaftsgefühl

Seit 1981 schafft die Genossenschaft «Aarestrand» bezahlbaren Wohnraum mitten in Bern und fördert das Zusammenleben mehrerer Generationen. Fabian Schneider (37) gab uns Einblicke in diese interessante Wohn- und Lebensform.

Bianka Balmer
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Sommerliche Abendstimmung an der Greyerzstrasse 50 in der Nähe des Viktoriaplatzes: Zum vereinbarten Termin begrüssen mich Fabian Schneider, sein Sohn und einige der 20 Bewohner:innen des schönen Eckhauses, in dem die Genossenschaft «Aarestrand» als ökologisch orientierte Gross-WG seit 1981 preisgünstigen Wohnraum schafft. Beim gemeinsamen Abendessen erfahre ich mehr über die Ursprünge, Hintergründe, gemeinsamen Interessen und den Alltag der 14 Erwachsenen und 6 Kinder dieser besonderen Gemeinschaft.

Lieber Fabian: Wie bist du zu «Aarestrand» gekommen?

Ich habe schon in verschiedenen Wohnformen gelebt: in einer 6er- WG, einige Jahre zusammen mit meiner damaligen Partnerin und meinem Sohn und danach ein Jahr lang allein in einer Wohnung. Neben der finanziellen Bürde der Mietkosten bei reduziertem Arbeitspensum, da seine Mutter und ich uns die Betreuung unseres Sohnes teilten, merkte ich schon bald, wie einsam ich war und wie sehr mir der Austausch mit anderen Menschen fehlte. Deshalb habe ich mit meinem Sohn im Juli 2024 hier in der WG ein neues Zuhause gefunden.

Beruflich bin ich in der Produktion der Frischpilze, die es heute beim Abendessen gibt (Anm. der Verfasserin: Es war wirklich sehr lecker – nochmals vielen Dank!), in einem Bauernhaus mit Zuchträumen in Steffisburg tätig und werde ab September zusätzlich zu einigen Prozent als Gärtner im Altenheim Senevita in Bümpliz arbeiten.

Wohneigentum in freundschaftlich- familiärer Gemeinschaft

Wir sind alle Eigentümer:innen dieses vierstöckigen Hauses, das wir gemeinsam kostendeckend (nicht gewinnorientiert) verwalten. So ist es möglich, preisgünstigen Wohnraum zu schaffen. Durch die Zahlung des Anteils von 3000 Franken wird man Genossenschaftler:in (gleichzeitig Hauseigentümer:in und Mieter:in) und erhält das Stimmrecht bei allen Entscheidungen bezüglich des Hauses.

Finanziert wird das Ganze durch die monatlichen Mietkosten in Höhe von 550 Franken pro Zimmer und erwachsener Person. Hinzu kommen 350 Franken monatliche Essenskosten. Die Kinder leben gratis in unserer Wohngemeinschaft.

Auf jeder Etage gibt es vier Zimmer, ein Wohnzimmer sowie ein Bad mit Badewanne und WC. Im Erdgeschoss befindet sich unsere Gemeinschaftsküche.

Ebenfalls zur WG-Familie gehören unsere vier Meerschweinchen, die im Sommer ihr grosses Gehege im Hof geniessen und im Winter im vierten Stock residieren. Sie freuen sich immer über Aufmerksamkeit, Snacks und Spiel-Sessions von/mit uns allen. Ausserdem bekommen wir manchmal Besuch von den in den umliegenden Häusern lebenden Katzen (lacht).

Gemeinsame Aktivitäten, Freuden und Ämtli

Ein fixer Tagesordnungspunkt ist das gemeinsame Znacht um 18:30 Uhr. Jeweils zwei Personen kaufen gemeinsam anhand einer Shopping-Liste dafür ein, bereiten es zu und räumen danach auf. Dafür tragen sie sich jeweils vorab in die Kochliste ein.

Wie wohl fast überall gibt es auch bei uns einen Putzplan: Für die Reinigung des Zimmers ist man selbst zuständig. Die Gemeinschaftsräume, Bäder und das Treppenhaus werden von den beiden Putzgruppen, zu denen wir Erwachsene gehören, in zweiwöchigem Wechsel geputzt.

Die Benutzung der Waschmaschine ist nicht spezifisch geregelt, funktioniert aber meistens gut.

Einkäufe in grösseren Mengen (z.B. Reis, Linsen, Konserven oder WC- Papier) beziehen wir vom Verein «Främslerei», einer Berner Lebensmittelkooperative verschiedener Haushalte zum gemeinsamen Einkaufen grosser Mengen biologischer, fairer und möglichst lokaler Lebensmittel. Im Quartierladen Wyleregg kaufen wir Brot, Käse und andere lokale Produkte. Um anfallende Ämtli wie z.B. die Erledigung finanzieller WG-Belange, die Zahlung der Mieten an die Genossenschaft, laufende Einkäufe, bauliche Massnahmen (beispielsweise die Renovierung von Zimmern bei Mieterwechseln), technische (z.B. den Ersatz von Haushaltsgeräten) und administrative Angelegenheiten wie die Bewirtschaftung der WG-E-Mail-Adresse, das Ablegen von Dokumenten auf der Harddisk oder den Kontakt zu anderen Genossenschaften kümmern sich unsere Arbeitsgruppen.

Aktionstage, WG-Feste und Sozialforen

An drei Aktionstagen pro Jahr erledigen wir für ca. vier bis sechs Stunden gemeinsam anfallende nicht alltägliche Arbeiten. So haben wir 2024 diverse Obstspaliere und einen Apfel- Hochstamm gepflanzt und den Sandkasten gebaut. Regelmässig wird im Rahmen solcher Tage die Küche ausgeputzt, Leergut entsorgt usw.

Damit alles rund läuft und alle ihre Anliegen einbringen können, halten wir alle drei Wochen ca. anderthalbs stündige Sitzungen ab, die jeweils von einer anderen Person vorbereitet, geleitet und protokolliert werden.

In unseren Sozialforen besprechen wir Themen wie Mietanpassungen bei Veränderungen des Mieteranteils, als Nächstes anstehende bauliche Massnahmen (z.B. den Einbau einer Wärmepumpe) oder gewünschte Anpassungen der Statuten.

Einmal im Jahr führen wir das beliebte WG-Fest und regelmässig gemeinsame Spiele- und Filmabende durch.

Möglichkeiten bei Wechseln

In einer Gemeinschaft unserer Grösse findet ca. einmal pro Jahr ein Mieter:innen-Wechsel statt. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn junge Familien eine andere Wohnmöglichkeit finden oder Einzelpersonen sich beruflich verändern.

Dann kann man Genossenschaftler:in bleiben und weiterhin über das Haus mitbestimmen oder aus der Genossenschaft austreten und den gezahlten Betrag zurückerhalten.

Wir haben das grosse Glück, aufgrund der idealen Lage, der guten Strukturen und unserer tollen Gruppe mit Inseraten auf der inoffiziellen Zimmer-Plattform und in der Genossenschafts-Telegramm-Gruppe meistens recht schnell gute Folge- Mieter:innen zu finden.

Wünsche für die Zukunft

Wir wünschen uns, unsere tolle Gemeinschaft noch sehr lange weiterführen zu können. Sehr gerne möchten wir die Genossenschaft mit dem Kauf weiterer Häuser vergrössern, um so noch mehr günstigen Wohnraum zu schaffen.

Lieber Fabian, vielen Dank für dieses interessante Interview. Wir wünschen euch alles Gute!

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Fabian Schneider.
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Das Haus der Wohngemeinschaft.
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