Neue Erkenntnisse aus der Käferwelt
Barbora und Michael Schroeter bieten in der früheren UBS-Filiale am Breitenrainplatz warme und kalte Kaffee- Spezialitäten sowie salzige und süsse Brunch-Leckereien an.

Die Zeiten, als «Weggli» noch so gross wie Boxerfäuste waren und einen Franken kosteten, sind längst vorbei. Und wer mit Bargeld hantiert, wird mittlerweile vielerorts als verdächtiges Subjekt taxiert. Deshalb verschwinden mehr und mehr Bankfilialen.Und die UBS ist nicht erst seit der letzten Fusion ständig im Umbruch. Doch etwas staunen dürfen wir schon. Anfang 2020 pries die Grossbank den damals gerade für eine stolze Summe umgerüsteten Standort an der Breitenrainstrasse 10 noch als neue Vorzeige-Adresse für die Zukunft. Die traditionellen Schalter waren weg, dafür gab es Sitzgruppen, Stehtische und Screens für Videoberatungen und Online-Verkehr. Ein von selbst laufendes Vehikel mit kaum Personal, für viel Geld von Theoretikern erdacht. Und wer ein wenig Fantasie besass, vermutete schon damals, dass man dafür gar nicht mehr in eine Filiale musste, sondern alles vom Lehnstuhl aus erledigen konnte. Das war wie gesagt Anfang 2020, kurz vor der Pandemie, den Rest der Entwicklung kennen Sie. Im Februar 2024 wurde die zwischenzeitliche Musterfiliale dicht gemacht. Und der nächst gelegene UBS-Automat befindet sich nun – Vorsicht, Ironie: ganz zentral und in Windeseile erreichbar für alle Nordquartier-Bewohnerinnen und -Bewohner – an der BernerGeschäftsstelle beim Bubenbergplatz. Womit wir bei der entscheidenden Frage sind: Was passt in eine Hülle, die früher eine Bank beheimatete? Offensichtlich ein zeitgenössisches Kaffeehaus im kargen Berlin-Stil, das doch voll hier zu Hause ist. Eröffnet diesen Sommer zuerst in einer Schmalspurvariante und nun seit wenigen Wochen als Vollbetrieb. Und der Besucherfrequenz zu urteilen nach schon gut etabliert im «Breitsch». Bei unserem Besuch haben sich ebenfalls bereits die scheinbar unvermeidlichen Digital-Nomaden breitgemacht. Plus Patchwork-Seilschaften mit ihren lebhaften Kindern, die in der hölzernen Spielzeug-Küchenkombination ab halb elf Uhr lautstark einen virtuellen Mittagstisch vorbereiten.
Von Hirschkäfern und Menschen
Barbora und Michael Schroeter heissen die neuen «Filialleiter» und Namensgeber. Die Jungeltern lernten sich während des Jus-Studiums in Deutschland kennen und führten zuvor in Leipzig ein Gastlokal.«Wir sind ein familiengeführtes Café, in dem Specialty Coffee auf Zero-Waste- Denken trifft. Unsere Verbundenheit mit der Natur spiegelt sich im Hirschkäfer-Logo wider – ein Symbol für saubere, gesunde Ökosysteme und zugleich das historische Wappentier der Familie Schroeter. Dieses Mindset prägt jedes Detail. Von regionalen Frühstücksangeboten bis hin zur Theke aus recyceltem Kunststoff und Kaffeesatz», schreiben sie in der Karte. Der Käfer ist ein Namensbezug mit Augenzwinkern, gehören die Hirschkäfer gattungsmässig doch zur Familie der sogenannten Schröter, lateinisch Lucanidae. Tatsächlich zerschroten vor allem Käferlarven und erwachsene Weibchen Baumhölzer, was den Namen erklärt. Optisch prägnant – und hier kommt der Hirsch ins Spiel – sind allerdings die Oberkiefer der Männchen, die dem Geweih eines Rothirsches gleichen. Auch ein Fingerzeig auf die roten Farbelemente im Lokal, diemit dem Gelb der Aussenbestuhlung kontrastieren. Wer über genügend Musse verfügt, kramt hier vielleicht sogar wieder einmal den 1916 erschienenen Mundartroman «Der Donnergueg » des heimischen Dichterfürsten Rudolf von Tavel hervor. Eine berührende Liebesgeschichte mit der berndeutschen Umschreibung für den Hirschkäfer als Titel. Das Von-Tavel-Grab befindet sich unweit auf dem Schosshaldenfriedhof.
Breakfast trifft Lunch
Die Breite des Kaffee-Angeboteswürde genügen, um den ganzen Roman vor Ort zu lesen und reicht von Cortado und Flat White über Latte und Cappuccino bis hin zu Batch Brew und Doppio sowie verschiedenen Cold Coffee Drinks. Kaffeealternativen sind Chai, Matcha oder Zimtmilch. Uns hat aber nicht nur die Lust auf warme und kalte Getränkespezialitäten an diese Adresse geführt. Gegen halb zwölf Uhr beginnt sich der Hunger zumelden und ein Blick aufs Brunch-Angebot ist nie verkehrt. Wir bestellenden «Smash AvocadoToast» mit Sauerteigbrot, Randenhummus, Tomaten und Sprossen sowie den «Wakame Chili Toast» mit Bohnen-Wakame-Aufstrich, eingelegten Radieschen, Dill und Chili-Öl. Das «Toasted Banana Bread» mit Erdnussbutter, Walnüssen und Ahornsirup sowie die «Smoothie Bowl» mit griechischem Joghurt, Früchten,Granola und Chiasamen bestellen wir beim nächsten Mal. Zur Abrundung des heutigen Besuches lohnt sich ein Blick in die Kuchenvitrine, von der Gastgeberin regelmässig mit Eigenkreationen bestückt. Besonders empfehlen wir das Carrot Cake und den Pflaume-Streusel-Kuchen, der die Innen- und Aussenfarbendes Lokals perfekt verbindet. Zwei Songtipps: «Mischtchäfer» von ZüriWest vom 1999er-Album«Super 8» mit dem Pfeifsolo, inspiriert vom Nordquartier. Und das Duett «Träumchen» von Bonaparte und Jella Haase aus dem heissen Sommer 2025. Bern trifft Berlin, auch musikalisch.




Infos
Küche: herzhaft hausgemacht
Service: Bestellung an der Theke, serviert am Platz. Oder Take-away
Ambiente: Understatement und Improvisation
Preise: angemessen
Adresse: Breitenrainstrasse 10, 3013 Bern.
Instagram: schroeter.swiss
Öffnungszeiten: Mittwoch bis Sonntag jeweils von 9 bis 17 Uhr.