KURSAAL BERN

Ein glanzvolles Stück Bern im Zeitraffer

Der Kursaal Bern ist ein Seismograph der örtlichen Gesellschaftsgeschichte und widerspiegelt die stetigen Veränderungen des Zusammenspiels von Arbeit und Musse.

Text: Jean-Claude Galli. Recherchen: jc & cae. Bilder: zVg.
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Wo beginnen die ganz grossen Geschichten? Oftmals in einem Königspalast, bei einem schlecht gelaunten Monarchen, der dringend einerAbwechslung bedarf. In diesem Fall war es eine rothaarige Frau mit auffallendbleicherHaut: Elisabeth I. (1533–1603), auch «The Maiden Queen» genannt, die am Ende des 16. Jahrhunderts die die bereits seit Christi Geburt als Kraftort genutzten Bäder in Bath besuchte und der Stadt im Südwesten Englands einen bis heute anhaltenden Boom bescherte. Bath und das deutsche Aachen prägten die Kurortarchitekturüberdie Jahrhunderte hinweg, verbreiteten sie in ganz Europa (Baden-Baden, Bad Ischl, Ostende, Meran) und brachten sie auch in die Schweiz (siehe die Kursäle inBaden, Engelberg oder Luzern). Die Anordnung der Bauten folgte stets einer fixen Gliederung. Nebst Bade- und Übernachtungsräumlichkeiten gab es jeweils einen grossen Hauptsaal für Publikumsveranstaltungen und Tanzbetrieb, daneben oft auch ein Spielcasino und gepflegte Einkehrmöglichkeiten.

Die Hanglage Gandegg, wo sich der heutige Berner Kursaal befindet, hätte der empfindlichen Elisabeth sicher sehr gefallen. Leicht erhöht überdem damaligen Stadtkern mit grandioser Aussicht bis zuden Alpen. Langewar der Zugang des Aarelaufes wegen beschwerlich. Erst mit der Eröffnung der Roten Brücke 1856 und der Kornhausbrücke 1898 erschloss sich das Areal einer breiten Öffentlichkeit und etablierte sich als neues Naherholungsgebiet. Ein Militärbauprojekt gab der Gandegg zwar den neuen Namen Schänzli-Areal, zustande kam es zum Glück für den heutigen Kursaal Bern nie. 1860 liess Grosshändler Emanuel Lanz als erste ständige Liegenschaft am Ort eine Sommerwirtschaft im damals modernen «Laubsägeli»-Stil errichten, wie ihn auch der Kursaal Interlaken auszeichnet. 1873/1874 folgten ein Musikpavillon, eine Stützmauer am Aaretalhang zur Erweiterung der Terrasse und ein Saalanbau mit Bühne zur Durchführung von Lustspielen, Operetten und anderen Konzerten. Der einzige Unterschied zu einem klassischen Kurbetrieb nach dem Vorbild von Bath war das Fehlen von Heilquellen und Badeeinrichtungen. Deshalb botendie Betreiber vonBeginnweg eine grosse Zahl kultureller Aufführungen an. Und das einzigartige Panorama war ebenfalls eine kurze oder auch längere Reise wert.

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Das Schänzli, Aquarell von E. Davinett, 1861.
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Blick von der Altstadt auf den noch jungen Kursaal nach der Jahrhundertwende.

Ausnahmesituation Erster Weltkrieg

Mehrere Hoteliers und Geschäftsleute gründeten im Februar 1903 die «Kursaal- und Sommerkasino-Gesellschaft Schänzli»,um den Betrieb zu professionalisieren und um Überbauungspläne für ein Villenquartier an dieser exklusiven Lage zu verhindern. So konnte der Kursaal seinen Betrieb nach und nach übers ganze Jahr ausdehnen. Im Mai 1912 benannte der Gemeinderat die neu angelegte Zufahrtsstrasse in Kursaalstrasse um. 1912/1913 fand im Hinblick auf die dritte Landesausstellung 1914 in Bern die Eröffnung des neuen Kursaals mit Konzertsaaltrakt, dem noch heute bestehenden Liftturm, Wandelhalle, verglaster Konzerthalle und Spielsaal statt. Architekt war Albert Gerster (1864– 1935), der auch das Gurten-Gasthaus oder die Gassner-Brauerei schuf (siehe Anzeiger für das Nordquartier vom August). Während des Krieges lief der Kernbetrieb nur auf Sparflamme. Dafür nutzte das Militär einzelne Gebäudeteile vorübergehend als Sanitätsanstalt. 1933 folgte die Eröffnung des Leuchtersaaltraktes mit Theatersaal und Bühnenhaus, Sitzungszimmern, dem Clubsalon sowie der Kursaalstube, wieder um aus der Hand von Gerster. Zwischen den Kriegen forcierte man auch den bereits zur Jahrhundertwende populären Tanzbetrieb, nun sogar mit einem eigenen Orchester. Auch später und bis zum Niedergang dieser Kulturform nach den 2000er-Jahrenblieb der Kursaal Bern jahrzehntelang eine Hochburg der Schweizer Ballszene mit Traditionsanlässen wiedem OG-, dem Vier-Jahreszeiten-, dem WIZO- oder dem Silvester- Ball. Besonders umfangreich ist die Liste der Stars, die als Sonderattraktion an solchen Bällen oder in separaten Konzerten und Anlässen im Kursaal Bern auftraten: Josephine Baker, Percy Sledge, Jerry Lee Lewis, Dizzy Gillespie, Miles Davis, Jamie Cullum oder Lisa Stansfield. Ein wiederkehrendes Highlight der etwas anderen Art ist der «Boxing Day» am Stephanstag, der 1994 mit der Folge «Herrenboxer» sogar als «Tatort»-Kulisse diente. Heute ist der Kursaal auch eine beliebte Dancefloor-Location. Aktuell mit den jährlich stattfindenden «Mykonos »-und «Stadtgeflüster»-Partys im August und Dezember. Insider erinnern sich auchanden in den2000er- Jahren von Nightlife-Legende Siegfried Stichlberger geführten «Le Club».

Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit

1946 wurde der Konzertsaal vergrössert, 1959die neue Konzerthalle mitsamt einer Hebebühne eröffnet. Die beliebte Minigolf-Anlage war schon 1954 entstanden. Sukzessive veränderten sich die Geschäfts- und Freizeitbedürfnisse. Grossversammlungen mit Banketten erweiterten den Betrieb. Der Bedarf nach Sitzungszimmern, der bereits vor dem Zweiten Weltkrieg erstmals eingesetzt hatte, stieg noch stärker an. In den 1960er-Jahren und um 1970 wandelte sich der Hauptfokus vom Kursaal zum Kongresszentrum, vom reinen

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Militär-Lazarett während des Ersten Weltkrieges.
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Neue Konzerthalle innen kurz nach der Eröffnung 1959.
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Hauptfassade des Kursaals von 1914.
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Werbetafel Kursaal Bern, 1920er-Jahre.
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Aktuelle Drohnenaufnahme vom Kursaal.
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Kursaal Revue 1979 mit Kurt Felix, Ines Torelli, Hazy Osterwald und Costa Cordalis. Die neue Konzerthalle von 1959.
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Schänzliterrasse mit Musikpavillon um 1900.
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Kursaal Revue 1979 mit Kurt Felix, Ines Torelli, Hazy Osterwald und Costa Cordalis.
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Arena mit Bankett-Ambiente.
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20-Jahr-Jubiläum Mykonos-Party 2025.

Unterhaltungsort zum temporären Arbeitsplatz mit integrierter Musse und Zerstreuung. Folgerichtig kam es 1973 zur neuen Firmenbezeichnung «Kongress + Kursaal Bern AG». Imselben Jahr wurde der Festsaal renoviert und mit einer drahtlosen Simultanübersetzungsanlage mit Dolmetscherkabinen, Breitleinwand undneuer Beleuchtung ergänzt. 1980 wurde der Konzertsaaltrakt modernisiert. Ein grosser Meilenstein war 1998 die Eröffnung des Hotels Allegro mit renovierten Zugängen zum Kursaal, ein weiterer die Eröffnung des A-Casinos im Juli 2002. Sämtliche 163 Zimmer erhielten bis 2009 eine umfangreiche Auffrischung. 2021 folgte die Wiedereröffnung als Swissôtel Kursaal Bern, das Vier- Sterne-Superior-Haus ist nun Teil der Accor Gruppe.

Schnell und regelmässig reagierten die Verantwortlichkeit auf die steten Veränderungen im Bereich der Gastro- Trends. 2002 wurde das 1998 eröffnete Restaurant Eurasia als «Meridiano » neu lanciert und 2005 umgestaltet. Das Meridiano war von 2008 bis 2013 übrigens die erste Chef- Stelle des in der «Steinhalle» heute höchstdotierten Kochs auf Stadtberner Boden, Markus Arnold. Und auch die von Fabian Raffeiner, der im «Zoe» an der Münstergasse einen Michelin- Stern und einen Grünen Michelin- Stern hält. 2006 öffnete das China-Restaurant Yù, 2007 der Biergarten Maximilian, 2008 das Restaurant Giardino (Umbau 2023), 2011 das umkonzipierte Yù im Atrium des Hotels. Seit 2017 existiert das Sommerkonzept «Rooftop Grill» auf der Meridiano-Terrasse. Und seit 2021 läuft dort auch das Winterprogramm «Rooftop Igloos». Die diesjährige Eröffnung findet am 4.November statt.

Von 2010 bis 2012 wurden die Kursaal Arena modernisiert, das Kursaal Forum auf der bisherigen Terrasse erbaut und die gesamte Grossküchen- Infrastruktur mit Lagerräumen und Büros erneuert. 2021 verschwand der 1973 eingeführte Name «Kongress + Kursaal Bern» wieder zugunsten des ursprünglichen Namens «Kursaal BernAG». Parallel erging eine erfolgreiche Aktienerhöhung und die Kotierung der Namensaktien an der Börse BX Swiss. Neu gibt es auch eine Zusammenarbeit mit dem traditionsreichen Berner Konzertlokal Bierhübeli. Unter dem Namen «Kultursaal Bern» entwickeln der Kursaal Bern und das Bierhübeli in den nächsten Jahren ein umfangreiches eigenständiges Veranstaltungsprogramm mit Konzerten, Comedy-Auftritten und Lesungen. «Wir wollen den Kursaal mit dem Kultursaal Bern als kulturellen Hotspot der Region etablieren und unseren Gästen einzigartige Erlebnisse bieten», sagt COO Isabel Niklaus.

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Apéro-Stimmung im Forum.
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Der Panoramaweg führt zum Forum.
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Aussenansicht Restaurant Giardino.

Positive Aussichten und ein Blick zurück Die Kursaal Bern AG rechnet trotz der herausfordernden Marktsituation für das Gesamtjahr 2025 mit einem soliden operativen Ergebnis, wie sie in ihrer Mitte September veröffentlichten Halbjahresbilanz schreibt. Die Umsätze haben bisher nicht ganz das Niveau des Vorjahres erreicht – auch den wirtschaftlichen und geopolitischen Unsicherheiten geschuldet. Die zwischenzeitliche Sperrung der Kornhausbrücke schlug sich vor allem in einer geringeren Besucherzahl im Giardino Restaurant & Bar nieder. Zur Kursaal Bern Gruppe gehören nebst dem Kultur- und Kongresszentrum, dem Hotel und den Restaurants auch das Grand Casino Kursaal Bern mit seinem neuen Online-Angebot «7melons.ch» und das Casino Neuchâtel. Nach zehn Jahren als CEO des Kursaals Bern tritt im April 2026 Kevin Kunz in den Ruhestand. Sein Nachfolger heisst Jonas Scharf. Der 57-jährige Scharf verfügt über fast drei Jahrzehnte Führungserfahrung im Messe-, Kongress- und Hospitality- Bereich, wie der Verwaltungsrat unter dem aktuellen Präsidenten Daniel Buser mitteilt. Der abtretende CEO Kevin Kunz verkörperte mit seiner Laufbahn und Wirkung die angestrebte Weltläufigkeit des Kursaals Bern, der nur allein vom Geschäft mit erholungssuchenden Bernerinnen und Bernern längst nicht mehr leben kann, perfekt. Der diplomierte Hotelier und Restaurateur startete als Kochlehrling im Hotel Bären an der Schauplatzgasse. Er leitete das Hotel Belle Epoque in der Altstadt, danach folgten Stationen in Spanien und im weltberühmten American Colony Hotel in Jerusalem. Zusammen mit seiner Frau Karin führte er die Seiler-Hotelgruppe in Zermatt mit dem Fünf-Sterne-Haus Mont Cervin Palace, ehe er 2016 nach Bern zurückkehrte. Angesprochen auf seine Erinnerungen an die Kursaal-Geschichte kommt ihm eine Episode aus seiner Lehrlingszeit in den Sinn, stellvertretend für viele andere denkwürdige Momente, die in ihrer Summe die Aura dieses Hauses ausmachen. «Im Bären waren regelmässig Musiker des Jazzfestivals untergebracht. Das damals noch sehr junge Festival fand im Kursaal Bern statt und ein Musiker – ich glaube, es war der Kornettist Wild Bill Davison – lud mich backstage zu seinem Konzert ein, für mich ein unvergessliches Erlebnis!» Den Namenszusatz «Wild» hatte Davison nicht nur wegen seiner exzessiven Spielweise, sondern auch wegen seines turbulenten Liebeslebens mit insgesamt fünf Eheschliessungen. Und so verfügt jede Bernerin und Berner über ein ganz eigenes Kursaal-Souvenir. Auch der Autor dieser Zeilen. Bei ihm ist es eine kleine Spontan-Gesangseinlage von Lys Assia (1924–2018) an der Giardino- Bar im Oktober 2003, bevor sie in der Arena an der damaligen Benefiz-Gala «Best of Night» auftrat. Assia ge- wann 1956 die allererste ESC-Ausgabe für die Schweiz im Teatro Kursaal in Lugano. Sie sagte damals auf unsere Frage nach ihrer Karriere-Maxime: «Seien Sie immer anständig. Und vor allem pünktlich.»

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Idyllisch: der Giardino-Garten.
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Atemberaubende Sicht auf Berner Altstadt und Alpen.
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Der abtretende CEO Kevin Kunz.
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Der kommende CEO Jonas Scharf.
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Tanzvergnügen im Kursaal 1970er-Jahre.
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Die Arena mit aktueller Konzertbestuhlung.
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