Sommerlich Garten- und Gaumenfreuden
Ein neuer Küchenchef und viele beständige Werte: Im «Lokal» beim Kasernenareal dürfen Sie sich jederzeit auf ein paar vergnügliche Stunden gefasst machen.

Was wir vor knapp zehn Jahren in einem unserer allerersten Einkehr-Berichte schrieben, gilt für das «Lokal» an der Militärstrasse 42 zum Glück bis heute: «Zeitlos attraktiv sind die Terrasse und die an ein Kurhotel erinnernde Veranda. Die Häuserreihe mit den Nummern 42 bis 46 und dem früheren ‹Bellevue› entstand 1877.» Vor vier Jahren besprachen wir das «Lokal» letztmals ausgiebig, im Kontext mit den damals neuen Pächtern Benjamin Abplanalp und Rebekka Wieland. Und jetzt melden wir uns wieder von hier, weil Anfang 2025 auch der Küchenchef gewechselt hat. Nun ist Benjamin Schwarzenbach am Werk, der früher jahrelang im «Waldheim» in der Länggasse wirkte. Was dort Verlust bedeutet, ist hier Gewinn. Und das Versprechen der Gastgeber, eine frische Küche mit saisonalen und möglichst regionalen Produkten mit täglich wechselndem Mittagsangebot und monatlich neuer Abendkarte zu pflegen, wird vollauf eingehalten. Von «First Date» bis Familienfeier Doch der Reihe nach. Unser abendlicher Besuch unter der Woche fällt auf einen der heissesten Tage des Jahres. Auch gegen 18.30 Uhr wird die 30-Grad-Marke noch knapp gekratzt. «Wasser» heisst das Gebot der Stunde. Doch auch eine «Stange» (Felsenau, hell) ist zu dieser Zeit nie ganz verkehrt. «Chef de Service» Björn Karlen bringt uns die Karte. Der Salat mit gemischtem Grün und lauwarmem Fenchel ist rasch gesetzt, ebenso das Zander-Ceviche, das sich mit dem Bier gut verträgt und nicht zwingend einen Wechsel in den Weisswein fordert. Das Offenangebot an Rebensaft beschränkt sich vernünftigerweise auf Europa und umfasst je vier weisse und rote Weine. Die Terrasse ist voll belegt, im Innern ist es – gerade wenig erstaunlich – äusserst ruhig. Die Gästestruktur zeigt, jedenfalls heute, keinen eindeutigen Nenner. Von der grossen und stimmungsvollen Familientafel bis zum eher scheuen «FirstDate» ist alles dabei, umrahmt von den farbigen Lichtgirlanden, Inbegriff der helvetischen Lustbarkeit.
Glückliche Gesichter
Die deutlich lesbare und bekömmliche Handschrift des neuen Küchenchefs zeigt sich auch bei den Hauptgängen. Für die Dame naht das Saibling-Filet mit Bulgur. Der Herr wählt das warme Pastrami im aufgeschnittenen Bao Bun mit Gemüsestreifen an Teriyaki-Sauce, dazu gibt es einen vorzüglichen Süsskartoffelsalat. Salopp ausgedrückt: Lower East Side Manhattan trifft Tainan, Streetfood auf hohem Niveau für Geniesser mit Zeit. Vielleicht lesen es angesichts des aktuellen Zollstreites nicht alle gern, aber wir schreiben es trotzdem: Pastrami ist mittlerweile ein Klassiker der US-Küche. Allerdings haben es vermutlich rumänische Einwanderer nach Übersee gebracht. Das dafür verwendete gepökelte und geräucherte Fleisch stammt meistens vom Schulterstück oder von der Brust. Ein Blick auf den Tisch neben uns zeigt, dass aber auch die Alternativen eine Bestellung gerechtfertigt hätten. Jedenfalls, wenn wir die glücklichen Gesichter zum Nennwert nehmen: sei es angesichts des Rindstatars mit hausgemachter Brioche, dem Roastbeef mit «Bärner Frites», dem Pastateller oder einem Vegi-Gericht mit Räuchertofu.
Was früher Brauch, gilt heute auch
Immer, wenn wir hier sitzen, geraten wir ins Sinnieren. Nicht nur über den grundsätzlichen Komfort von Gartenstühlen. Und wie bei mittelalten Leuten mittlerweile üblich, wird dabei auch in der Vergangenheit gekramt, als das «Lokal» in den Nullerjahren zwischenzeitlich «Im Juli» hiess und wir mithalfen, die damals sehr erfolgreiche deutsche Band Juli vor einem Auftritt in der PostFinance-Arena noch kurz an die Militärstrasse zu lotsen. Kultur ist hier bis heute ein fixes Thema. Unter dem Label «Ässe+Kultur» finden in den kühleren Monaten auf der kleinen Sofa-Bühne immer wieder Auftritte statt, begleitet von einem passenden Dreigänger.Und wir sind – à propos Dreigänger – nun bereit für die Nachspeise. Das Erdbeer-Tiramisu verliert das Auswahl-Duell schliesslich gegen den Birnenkuchen mit Pekannüssen und Sauerrahmglacé. Zum Teilen des Desserts kommt ein sogenannter «Räuberlöffel» zum Einsatz. Zu Hause angekommen, zeigt ein Blick ins Archiv: Bei unserem letzten festgehaltenen Besuch im August 2021 waren wir in selber Besetzung dort. Die Dame wählte schon damals den Fisch, der Herr den gegarten Schweinebauch. Was uns das lehrt? Sagen wir es doch mit der mittlerweile 89-jährigen Hollywood-Legende und Ehrenbürgerin von Saanen, Julie Andrews: «Wenn einem die Treue Spass macht, dann ist es Liebe».




INFOS
Küche: erfrischend kreativ
Service: umsichtig, aufmerksam, sympathisch
Ambiente: eine echte «Breitsch»-Perle, innen wie aussen
Preise: nicht übertrieben
Adresse: Militärstrasse 42, 3014 Bern. Telefonische
Reservation: 031 332 70 00, www.lokal-bern.ch
Öffnungszeiten:
Dienstag bis Donnerstag: 10.30 bis 23 Uhr
Freitag: 10.30 bis 23.30 Uhr
Samstag: 15 bis 23.30 Uhr
Sonntag und Montag: geschlossen