Das Auge des Tigers und der grösste Sieg
Nach dem historischen Triumph im Schweizer Cup gegen Super-Ligist Thun geht es für den FC Breitenrain mit dem neuen Trainer Alain Villard wieder in der Meisterschaft weiter.

Die Helden waren müde und der Stimmungsunterschied frappant. Im strömenden Regen und vor 123 Fans fand letzten Mittwoch auf dem «Spitz» die Nachtragspartie zwischen dem FC Breitenrain und der U-21-Equipe des FC Lugano statt. Sie ging knapp 2:3 verloren. Verständlich, dass in den Köpfen der «Breitsch»-Spieler immer noch der historische Triumph vom 17. August nachhallte, als das Heimteam bei hochsommerlichen Verhältnissen und vor 3762 Zuschauerinnen und Zuschauern als Vertreter der Promotion League den Super-Ligisten FC Thun aus dem Cup warf. Einziger Torschütze war NetoGomes da Silva, der in der 63. Minute einen Hands- Elfmeter souverän verwandelte. «Ich habe die ganze Woche über mit unserem zweiten Goalie Penaltys trainiert. Und es ist mir gelungen, ihn dann auch so zu schiessen, wie ich es geübt habe. Dieser Sieg ist ein Verdienst für alle Leistungen und Anstrengungen der letzten Jahre», sagte er im Schweizer Fernsehen, welches das Spiel live übertrug. Captain Marco Hurter schwärmte dort von «einem der schönsten Tage meines Lebens». Thun-Coach Mauro Lustrinelli gab zu Protokoll, dass er schon beim Einlaufen gemerkt habe, dass seine Spieler «heute zu wenig hungrig » seien. Und «Breitsch»-Cheftrainer Alain Villard meinte, seine Spieler hätten «wie Tiger» gekämpft.
Physis und Defensive im Fokus
Der Anzeiger für das Nordquartier besuchte Villard vier Tage zuvor in der Garderobe,um mit ihm über seine erste Vorrunde auf dem«Spitz» zu sprechen. Villard kam vom FC Besa Biel aus der 1. Liga Classic und debütierte Ende Juni am diesjährigen Burkhalter-Cup. Sein erster Eindruck nach zwei Monaten in Bern: «Ich fühle mich sehr wohl hier und die Mentalität ist toll. Dieses spürbare Miteinander und Füreinander vom Junior bis zur ersten Mannschaft schätze ich sehr. Jeder hilft, jeder will etwas Positives erreichen.» Als die Anfrage für das Traineramt gekommen sei, habe er nicht lange überlegen müssen. «Das ist eine grosse Herausforderung für mich und eine perfekte Gelegenheit, mich als Trainer und auch menschlich weiterzuentwickeln.» Zuerst musste er sich noch mit seinem Arbeitgeber – Villard ist Gerichtspräsident beim Regionalgericht Berner Jura- Seeland in Biel – und mit seiner Frau absprechen. «Doch alle haben mir ihre volle Unterstützung zugesichert.» Die Unterschiede zwischen seinem bisherigen Tätigkeitsfeld 1. Liga Classic und der Promotion League erachtet Villard als viel grösser als jenezwischen Promotionund Challenge League. «Der Unterschied punkto Können und Aufwand zum Profitumist hier nur minim.» Villard traf eine Mannschaft an, die im Kern bereits bestand. «Viele der Jungs haben schon fünf bis zehn Saisons zusammen absolviert. Das sieht man sofort. Und auf diese bestehenden Automatismen konnte ich bauen.» Verkraftet werden musste der kurzfristige Abgang des letztjährigen Liga-Topscorers Robin Golliard zum Super-League-Absteiger Yverdon- Sport. Dafür kamen unter anderen der Aussenstürmer Paolo Arrivas und der Verteidiger Evan Stadelmann, beide vom FC Biel. Handlungsbedarf sah Villard zu Beginn vor allem imphysischen Bereichund in der Defensive. «Hier möchten wir noch soliderwerden.» Dass seine Anstrengungen jedoch schon etwas gefruchtet haben, attestierte ihm SRF Experte und ex-Profi Fabian Frei indirekt in dessen Cupspiel-Analyse vom 17. August. Dass «Breitsch» in der Nachspielzeit noch zwei neue Spieler bringen konnte und die Wechsel nicht wie viele andere Unterklassige in dieser Situation bereits viel früher vornehmen musste, strich Frei lobend heraus. «Ja, die sind fit, die Jungs», so die FC-Basel-Legende.
Top 7 und Liga-Nummer 1 im Kanton als Ziel
Fabian Frei war es auch, der bei der Auslosung zur nächsten Cuprunde die «Glücksfee» spielte. «Breitsch» muss nun am Samstag, 20. September, auswärts gegen Zug 94 aus der 1. Liga Classic antreten (Sportanlage Herti Allmend, Kick-off 16 Uhr). Doch davor und danach warten noch viele andere Knacknüsse in der Meisterschaft. Villard hat die Ziele für die Mannschaft auf einer grossen Tafel visualisiert. 26 Punkte möchte er in der Vorrunde erreichen, die bis Ende November dauert. Am Ende der Saison will er mit Breitenrain unter den Top 7 landen, dies als Liga-Nummer 1 im Kanton Bern, also vor YBU-21 und demFC Biel. Beim letztjährigen Aufstiegsaspiranten und Überraschungs- Cupfinalisten aus dem Seeland gab es auf diese Saison hin einen grossen Umbruch. Als Liga-Dominatoren mit Aufsteiger-Potenzial sieht Villard deshalb in erster Linie den Absteiger FC Schaffhausen, den SC Kriens und mit Abstrichen noch den FC Bulle. «Doch die Liga ist sehr ausgeglichen und es gibt nur starke Teams.» Nach derAuswärtspartie gegen Schaffhausen vom vergangenen Wochenende empfängt Breitenrain nun am kommenden Samstag zu Hause den Nachwuchs von Lausanne-Sport. Das Spiel beginnt wie üblich um 16 Uhr. Und was Cup-Torschütze Neto Gomes da Silva für den Cup versprach, soll nach den Vorstellungen von Villard und seinem Team natürlich auch in der Meisterschaft gelten: «Wir wollen jedes Spiel so angehen, als wäre es das allerletzte.» Mit den Augen eines Tigers.