Mit Talent, Arbeit und viel Herz für die Küche Thailands
Die Thailänderin Suban Schärer-Wongbua hat mit dem Restaurant «Suban» am Nordring ihren Lebenstraum verwirklicht. Das Lokal gehört zu den besten Adressen für Thai-Küche in Bern. Am 20. September feiert es sein zehnjähriges Jubiläum.

Suban Schärer-Wongbua erinnert sich noch gut an den ersten Tag in ihrem ersten eigenen Restaurant. Das war 2010 in Jegenstorf, das Beizli hiess «Thai Bistro», ein kleines Lokal mit Bambus-Hüttchen auf der Terrasse. «Ich habe am ersten Tag 70 Franken eingenommen – die Freude war riesig, ich war so stolz!», sagt Subanmit einem breiten Lachen im Gesicht. Ein Lebenstraumwar in Erfüllung gegangen. «Seit ich in die Schweiz gekommen bin, habe ich mir gewünscht, ein eigenes Restaurant zu eröffnen», erzählt sie.
Sie hatte Erfolg: Schnell sprach sich herum, wie gut man bei der Thailänderin isst, die von frühmorgens bis spätabends in der Küche steht und ihre Gäste stets mit einem fröhlichen Lachen willkommen heisst. Vier Jahre später zog sie in ein grösseres Lokal nach Schönbühl um, 2015 eröffnete sie das «Suban» in der Lorraine. Es ist weitum beliebt: Am Mittag stehen die Gäste fürs Take-Away-Menu Schlange, abends sind die Tische meist bis auf den letzten Platz besetzt.
Kein Geld für Schuhe
Der Weg bis hierhin war manchmal steinig, manchmal hart und immer mit viel Arbeit verbunden. Die 58-Jährige ist in Petchabun, im Norden Thailands, mit sechs Geschwistern aufgewachsen. «Ich weiss nicht, ob wir arm waren: Wir hatten genug zu Essen und ein Haus.» Das war aber auch schon alles. Lederschuhe, die sie zu ihrer Schuluniform hätte tragen sollen, konnten sich die Eltern nicht leisten. Also ging sie barfuss zur Schule. Ihre einzigen Schuhewaren Flip-Flops. Sie trug zusammengewürfelte Paare – Einzelstücke, die sie irgendwo fand. «An einem Fuss trug ich manchmal einen blauen,am andern Fuss einen roten Flip-Flop. Manchmal trug ich auch zwei linke Schuhe», sagt sie mit einem Lachen.
Von der Pike auf gelernt: Schuften von früh bis spät
Schon mit 13 Jahren stieg sie ins Erwerbsleben ein: «Ich hatte die sechste Klasse abgeschlossen. Es war normal, dass ich nun arbeiten ging.» In einem grossen Restaurant in Bangkok, wo ihr ältester Bruder Chefkoch war, fand sie einen Job und ein neues Zuhause. Sie schuftete von früh bis spät in der Küche, im Service und beim Abwasch und schlief mit 14 anderen angestellten Mädchen in einem Zimmer. Subanwar begabt, sie konnte schnell gut Fleisch und Fisch zubereiten und erhielt mehr Verantwortung. Das hiess aber vor allem mehr Arbeit. Während die anderen Mädchen bis um acht schlafen konnten, nahm sie um sechs Uhr früh die frische Ware der Lieferanten entgegen. «Das alles für 500 Baht (15 Franken) im Monat», erinnert sie sich.Geld, das ihr Bruder gleich nach Hause schickte. «Das war üblich, das macht man so in Thailand. » Für Suban blieb höchstens mal ein bisschen Trinkgeld übrig. War das ein hartes Leben? «Ich kannte nichts anderes und dachte, in Bangkok ist es halt so.» Sie hatte keine Freiheiten, kaum Freizeit, kaum Geld – doch sie lernte in den acht Jahren in diesem Restaurant alles, was sie fürs spätere Leben als ihre eigene Chefin können musste.
Glück im Unglück
Bis dahin sollte es allerdings noch fast zwei Jahrzehnte dauern. Mit 23 Jahren schien ihr junges Leben und die Hoffnung auf ein besseres Leben zusammenzubrechen – sie wurde ungewollt schwanger. Jung, mittellos, kein Mann an ihrer Seite. Zwar unterstützte ihre Mutter sie, doch irgendwie musste sie ihr Leben für sich und ihr Kind finanzieren. Sie wusste nicht weiter. «Komm nach Pattaya!», sagte eine Bekannte zu ihr. «Hier hat es Ausländer, hier kannst du Geld verdienen! » Der Küstenort ist bekannt ist für seine Nachtlokale, leicht bekleideten Mädchen und «Farangs» (Ausländer). Mit einem knappen Rock, grell geschminkt an einer Bar Freier aufreissen? Das war nichts für Suban. Dennoch versuchte sie ihr Glück in Pattaya. Sie schuftete eine zeitlang in Haushalt und Garten bei einem Engländer, dann traf sie auf einen netten Berner. Er fragte sie: «Willst du in die Schweiz kommen?» Suban sagte sofort Ja. Das war 1991. «Ich glaube, er hatte Mitleid,weil ich eine kleine Tochter hatte. Sie war noch ein Baby.»
Im Westen viel Neues
Mit 24 Jahren stieg sie zum ersten Mal in ihrem Leben in ein Flugzeug. «Als ich von oben die weiss verschneiten Alpen sah, begriff ich überhaupt nicht, was das Weisse ist. Schnee kannte ich nicht.» Sie heiratete, nahm ihre kleine Tochter Nari in die Schweiz, bald kam Sohn Matthias zur Welt. Suban verdiente sich etwas Geld mit dem,was sie in Bangkok gelernt hatte: Sie schnitzte Gemüse zu kleinen Kunstwerken für Restaurants und gab ihr Können in Kursenweiter. Nach gut zehn Jahren trennte sie sich von ihrem Mannund bekammit ihrem zweiten Partner ihr drittes Kind, Tochter Céline.
Einmalige Gelegenheit
Sie war schon 43 Jahre alt, ein Bekannter fragte, ob sie das Bistro in Jegenstorf übernehmen wollte. Sie packte ihre Chance. Heute, fünfzehn Jahre später, hat sie sich als Gastronomin etabliert. Aus dem Take-Away in der Lorraine wurde die «Suban Thai Eatery» und sie arbeitet eng mit ihrer Tochter Nari zusammen, die heute Geschäftsführerin ist. Zum «Suban-Universum» gehören heute auch das «Nari» am Eigerplatz und das «MaiminHappyNoodles» in der Herrengasse.
Kraft der Natur
Suban hat früh gelernt, hart zu arbeiten, sie kann schuften bis zum Umfallen. Grenzen kennt sie kaum– was gefährlich sein kann. 2018 erlitt sie ein Burn-out. Zum Glück war ihre Tochter Nari da, die ausgebildete Restaurateurin, die nun die volle Verantwortung übernahm. In jener Zeit entdeckte die Thailänderin die Berge.«Nach meinem Burn-out ging ich viel spazieren, um wieder zu Kräften zu kommen. Dann ging ich auf meine ersten Wanderungen.» Die Berge sind der Ort, wo sie heute ihre Kraft tankt. Samstags und sonntags, wenn das Restaurant geschlossen ist, steigt sie am liebsten frühmorgens in den Zug und fährt den Bergen entgegen. Mit im Gepäck: thailändisches Picknick. Auch immer mit dabei: ihre thailändischen Freundinnen. Ob am Fuss des Matterhorns, auf dem Wandergrat des Brienzer Rothorns oder in den Glarner Alpen – hoch oben in den Alpen ist Suban glücklich. «Ich fühle mich so frei in den Bergen.»