Corinnas Quartier Talk

Corinnas Quartier Talk mit Julio da Silva

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Der «Büner» und sein idyllischer Garten. Bilder: zVg

Dieser Talk ist ein komplett anderer als normalerweise und wird zwar mit einem «bekannten Gesicht» aus dem Quartier geführt, es geht aber nicht um normale Fragen, sondern um ein Ereignis, das viele, vor allem Fussballinteressierte, bewegt hat. Nur wenige Tage nach dessen Hochzeit ist der 28-jährige portugiesische Nationalspieler Diogo Jota (Diogo José Teixeira da Silva) zusammen mit seinem Bruder André Silva Anfang Juli in Spanien tödlich verunfallt. Fast alle Medien berichteten darüber. Kurz nach dem 10-Jahr-Jubiläum von Julio da Silva in seinem «Büner» erfuhr dieser vom tragischen Unfalltod von einem ihm bekannten Gesicht. Ich habe mit ihm ein unübliches Interview geführt:

Julio, hast du die beiden verunglückten Brüder gekannt?
Ja ich kannte sie, habe Diogo Jota mehrere Male getroffen, weil ich mehrmals eingeladen wurde und Zeit mit dem Nationalteam im Hotel verbrachte. Das letzte Mal sprach ich länger mit ihm vor zwei Jahren, als ich vom Assistenztrainer, der ein guter Freund von mir ist, nach Vaduz ins Mannschaftshotel eigeladen wurde.

Die Brüder trugen den gleichen Namen (da Silva) wie du. Bist du in irgendeiner Form mit ihnen verwandt?
Nein, aber sie lebten in der Nähe von mir in Nordportugal, wo ich auch herkomme. Der Bruder von Diogo spielte bei Benafiel. Der Club liegt nur etwa zehn Kilometer vom Haus meiner Eltern entfernt. Mein Stiefsohn hatte André sogar trainiert. Also, ich kenne die Brüder nicht derart, dass ich mit ihnen Kaffee trinken ging, aber beim Begegnen grüssten wir uns jeweils herzlich.

Wie empfandest du Diogo Jota?
Er war ein super Typ. Offen, ehrlich und bodenständig.

Was hat die Nachricht vom Unfall mit dir gemacht?
Zehn Minuten nachdem ich am Morgen von Zu Hause weggefahren war, schrieb mir meine Frau eine SMS über den schrecklichen Unfall und ich erfuhr es kurz darauf auch aus den News. Ich fuhr schockiert in den «Büner». Kurz darauf erschien der Präsident des Schweizer Fussballverbandes und nahm mich in den Arm und drückte mir sein Beileid aus. Wir mussten beide unsere Tränen zurückhalten. Eine Woche lang drehten sich meine Gedanken immer wiederumdas Schicksal dieser beiden jungen Männer. Die Zeitungen und Nachrichtensender in Portugal waren permanent mit Meldungen zumUmfall und Umfallhergang präsent. In Portugal ist das natürlich eine grosse Tragödie.

Die Strasse, auf welcher die Brüder in Nordspanien verunglückten (Diogo Jota und André Silva waren nach der Hochzeitsfeier von Diogo am 22. Juni und den kurzen Ferien auf dem Weg zur Fähre, welche die Brüder nach Dover hätte bringen sollen), kenne ich sehr gut, weil ich diese selber schon tausendmal gefahren bin, wenn ich von der Schweiz nach Portugal reise. Sie ist gefährlich, 15 km lang eine gerade Strecke, auf der man gerne etwas Gas gibt.

Du hast erst kürzlich den 10-Jahr-Jubiläum mit vielen Gästen, viel Lachen und Freude gefeiert und kurz darauf dieses traurige Ereignis. Es zeigt, wie nahe Freud und Leid oft sind…
Genau, das habe ich auch gedacht. 10 Jahre Vollgas, 130 Prozent von morgens bis abends, 10 Jahre mit Stolz und 600 Leuten gefeiert, obwohl ich nur mit der Hälfte der Gäste gerechnet und mich riesig gefreut habe, dann kurz darauf diese Nachricht… Wir haben zu Hause darüber gesprochen und uns auch gefragt, was wir eigentlich auf dieser Welt machen; wir machen so viel, möchten so viel erreichen und dann ist man mit einem Schlag nicht mehr da. Geht es nicht darum, die Momente zu geniessen, Zeit für uns zu haben und nicht derart herumzueilen? Joa Felix (Anm: Profispieler bei Chelsea) hat am Tag der Abdankung einem Journalisten unter Tränen gesagt, er wolle nach Hause zu seiner Familie, in deren Nähe und glücklich sein, anstatt im Ausland viel Geld zu verdienen. Wie auch er dachten wohl viele Spieler über den Sinn des Lebens nach…

Hast du die Familie von Diogo gekannt?
Ja, ich kannte alle, seine Frau, seine Kinder und auch seine Eltern, die sehr nahe von uns in Portugal leben. Die Eltern hatten zwei Kinder, beide sind nun nicht mehr da. Diese Kinder haben ihnen Wohlstand gebracht und waren ihr Ein und Alles. Diogo selber wurde sehr jung Vater und sein jüngstes Kind ist erst wenige Monate alt. Zehn Tage vor seinem Unfall hat er seine langjährige Freundin (er kannte Rute seit seiner Kindheit) und Mutter der drei Kinder geheiratet.

Das macht diese «Geschichte» so unglaublich traurig. Glaubst du an Schicksal?
Ja, ich glaube an Schicksal – es ist kein Zufall. Kurz vor seinem Tod hat Diego so viel erreicht. Er hat mit Liverpool die Meisterschaft gewonnen, hat alles erreicht und hat jede Minute seines Tuns genossen. Er war ruhig und ausgeglichen und war der «glücklichste Mensch der Welt» (Anm. Das hatte er einem Journalisten in einem Interview kurz vor seinem Unfall erzählt). Er machte seinen Job aus Leidenschaft, wie ein Hobby, war nie verbissen. Dann heiratet er seine Freundin, die er seit seinem 13. Lebensjahr kennt und «zack» ist alles aus. Und auch ist es kein Zufall, dass er noch eine kleine OP an der Lunge machen lassen musste und auf Rat des Arztes hin nicht den Flieger, sondern die Fähre buchte. Er fragt seinen Bruder, der noch Ferien hat, ihn zu begleiten, sie mieten einen Lamborghini und sterben zusammen unterwegs… Auch dass das Auto explodiert ist und die Polizei kurz darauf kaum Überreste fand, ist unglaublich.

Die junge Familie steht nun ohne Vater da. Der Zusammenhalt in Portugal unter Familien ist gross.
Die Familie wird von vielen unterstützt, auch psychologisch. Was ich intern vernommen habe, ist, dass die Videos, die von Diogo existieren, den Kindern immer wieder gezeigt werden, damit sie den Vater nicht vergessen, weil sie ja noch so klein sind.

Was hältst du von der grossen Geste, dass Liverpool die Familie fortan unterstützen wird?
Ich finde es grossartig, auch, dass die gesamte Mannschaft inklusive Staff nach Portutal in dieses kleine Dorf gereist ist, um Abschied von Diogo und seinem Bruder zu nehmen. Die Emotionen und Reaktionen zeigten, wie beliebt er war. Die Trauer spürte man aber nicht nur bei der Nationalmannschaft oder bei Liverpool, sondern bei allen Clubs der Welt.

Wurdest du im «Büner» von Leuten auf dieses traurige Ereignis angesprochen?
Ja, im «Büner» war es eine Woche lang ein permanentes Thema und fast alle, auch YB-Spieler, habenmich darauf angesprochen. Natürlich auch weil ich Portugiese bin und man weiss, dass ich den portugiesischen Fussball liebe. Das Leben geht weiter und die Schlagzeilen werden andere Themen behandeln, aber in Portugal wird der Verlust noch zu spüren sein.

Danke Julio für deine Zeit und deine Gedanken.

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Grosse Trauer wegen Unfalltod von Diogo Jota und seinem Bruder André Silva.
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Julio Da Silva hat das Gastgebertum im Blut.
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