Corinnas Quartier Talk mit Jill Kälin

Seit Mai 2025 führt Jill Kälin den beliebten Laden. Wir haben ihr ein paar Fragen gestellt.

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Das Führen eines Bio-Ladens stand einst nicht auf ihrer To-do-Liste: Jill Kälin. (Bild: zVg)

1983 gründete der Visionär Hannes Geiser den Wylereggladen in der alten Molkerei an der Wylerstrasse 49. Letzterer ist heute ein wichtiger Bestandteil des Nordquartiers und ist seit seinen Anfängen bekannt für ehrliche Produkte mit Sinn. Seit Mai 2025 führt Jill Kälin den beliebten Laden. Wir haben ihr ein paar Fragen gestellt.

Jill Kälin stammt aus dem Zürcher Oberland, studierte in Wädenswil Umweltingenieurwesen, machte ebenda den Bachelor und arbeitete im Anschluss eineinhalb Jahre für die Vogelwarte Sempach in der Artenförderung. Während dieser Zeit (2023) zog sie nach Bern und lebte ein Jahr im Breitsch. Während ihrer Arbeit in der biologischen Landwirtschaft stiess sie auf Biogeschäfte, die ihr Interesse weckten. Wenn Jill mal nicht mit der Arbeit in und um den Wylereggladen beschäftigt ist, ist sie gerne mit dem Zelt in den Bergen unterwegs und rennt, liest und kocht gerne.

Was hat dich nach Bern geführt?
Die Stadt hat mir schon immer gefallen, weil sie mir trotz ihrer Grösse das Gefühl gibt, in einem Dorf zu sein. Ausschlaggebend waren aber meine Berner Freund*innen.

Du bist von der Landwirtschaftstätigkeit auf die Organisation von Bioläden gestossen. Was hat dich besonders interessiert, dich näher mit deren Abläufen zu befassen?
Ich habe mich bereits im Studium auf biologische Landwirtschaft spezialisiert, das Interesse an Bio-Produkten ist schon da entstanden. Das Führen eines Bioladens stand eigentlich nicht auf meiner To-do-Liste. Sobald sich die Möglichkeit dazu bot, habe ich mich aber sofort dafür begeistert. Die Rolle von kleinen Läden ist so wichtig in der Verteilung von Lebensmitteln, auch wenn es um die Unterstützung von Kleinbetrieben oder z.B. Foodwaste geht. Das ist für mich eine grosse Motivation, mich mit der Organisation von Bioläden zu beschäftigen und im Kleinen Einfluss zu nehmen.

Im Mai hast du die Leitung des Wylereggladens übernommen. Wie kam es dazu?
Kurz gesagt: Der Wylereggladen brauchte eine Leitung und ich einen Job. Für mich war das ein grosses Glück, die Geschäftsleitung bringt mir eine gute Balance aus Kund*innenkontakt, Einblick in die Produktionsbetriebe und Verantwortung im Team.

Wie hat sich das Kaufverhalten seit Corona – die kleinen Geschäfte wurden nahezu überrannt – verändert?
Nach der Pandemie hat der «Run» auf kleine Geschäfte wieder stark abgenommen, das Kaufverhalten hat sich leider nicht nachhaltig verändert. Seitdem kämpfen wir, wie andere Biolädeli auch, ums Überleben.

Wie wählt ihr eure Produzent*innen aus?
Wir legen Wert auf lokale Produkte mit kurzen Lieferwegen und gute Qualität. Deshalb werden wir von vielen kleinen Produzent*innen aus der Region Bern beliefert. Das ist der Grund für unser tolles, breites Sortiment mit vielen feinen Sächeli, die bei Grossverteilern nicht zu finden sind: frisches Gemüse und Früchte, eine Theke mit Käse direkt von der Alp, superfeines Brot, und, und, und...

Wie ist das Kaufverhalten junger Menschen, was Nahrung und Produkte anbelangt? Spürt ihr auch da einen Trend in Richtung gesunder Ernährung und Waren oder ist die Kundschaft eher Ü40?
Zu unserer Kundschaft gehören viele junge Familien, in den letzten Jahren geht der Trend jedoch abwärts. Deshalb bemühen wir uns in Zukunft umso mehr, auf sozialen Medien und anderen Plattformen präsent zu sein, um mehr junge Kundschaft zu erreichen.

Wo siehst du/seht ihr die Zukunft der Bioläden? Die Biomarke Alnatura wurde bei Grossisten aus dem Sortiment genommen und auch das Alnatura-Geschäft im Quartier schliesst seine Türen...
Ich sehe und erhoffe mir eine grosse Zukunft von Bioläden. In Anbetracht der Klimakrise wird immer klarer, welche zentrale Rolle die Landwirtschaft spielt und dass wir so viel erreichen können, wenn wir nachhaltig einkaufen. Nicht zuletzt macht es doch auch einfach mehr Spass, mit qualitativ hochwertigen Produkten zu kochen, welche in Biolädeli wie dem Wylereggladen noch zu finden sind.

Du hast ein Jahr lang im Nordquartier gewohnt, bevor es dich ins Sandrainquartier zog. Wie hast du das Leben im Quartier wahrgenommen?
Ich habe mich von Anfang an unglaublich wohl gefühlt im Breitsch. Ruhig, nah an der Natur und trotzdem belebt. Und wenn mans braucht, ist immer irgendwo etwas los.

Wenn du heute im Quartier unterwegs bist, wo zieht es dich hin, um Kultur zu geniessen?
Ich komme ehrlich gesagt viel zu selten dazu, im Quartier Kultur zu geniessen. Aber wenns mal drinliegt, trifft man mich wahrscheinlich in einem feinen Resti, Café oder mal im Kino.

Und wo verweilst du gerne, wenn du Ruhe suchst?
Da zieht es mich immer an die Aare...

Was möchtest du den Lesenden, was dein Fachwissen betrifft, mit auf den Weg geben?
Mit unserem Konsumverhalten können wir direkten Einfluss auf die Lebensmittelproduktion nehmen. Wenn wir uns für nachhaltige Produkte entscheiden, fördern wir eine kleinstrukturierte, biodiverse Landwirtschaft und unterstützen soziale Gerechtigkeit. Setzen wir uns gemeinsam für eine gute Zukunft ein.

Herzlichen Dank für deine Antworten und die Zeit!

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