WEURO 2025

Die Weichen für ein neues «Wunder» sind gestellt

Vom 2. bis zum 27. Juli findet die UEFA Women’s Euro 2025 in der Schweiz statt. Auch das Nordquartier mit vier Spielen im Wankdorf ist Schauplatz dieses internationalen Grossereignisses.

Text: Jean-Claude Galli, Bilder: Jean-Claude Galli / zVg Host City Bern
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Im Zusammenhang mit der WEURO 2025 gibt es diverse sogenannte Fotopoints, so unter anderem beim Zytglogge, auf der Münsterplattform oder im Rosengarten. Bild: zVg © Host City Bern

Diese Geschichte hier beginnt und endet in Bern. Am 24. April 1970 wird im früheren «Bürgerhaus» an der Neuengasse die Schweizerische Damenfussball-Liga (SDFL) gegründet, ein knappes Jahr vor Einführung des Frauenstimmrechts. Treibende Kraft ist der Walliser Jean Boll, Vater von Madeleine Boll, der ersten lizenzierten Fussballerin des Landes. Die erste Meisterschaft 1970/1971 gewinnt der DFC Aarau. Ebenfalls 1970 entsteht unter dem Dach des FC Bern ein Frauenteam. Damals sind weibliche Equipen noch einem Männerklub unterstellt. 1978 holen die Frauen des FC Bern den ersten Meistertitel. 2005 macht sich die Frauenabteilung unter dem Namen FFC Bern selbständig, seit 2009 ist der Club in den BSC Young Boys integriert. Die YB Frauen sind die aktuellen Schweizer Meisterinnen. Den zwölften Titel für Bern holten sie am 17. Mai mit einem Finalsieg gegen GC. 

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WEURO-Medienorientierung mit (v.l.n.r.) Hannah Sutter (Co-Gesamtprojektleiterin), Marieke Kruit (Stadtpräsidentin), Marc Heeb (Co-Gesamtprojektleiter) und Patric Schädeli (Teilprojektleiter Mobilität und Verkehr).
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Stadtpräsidentin Marieke Kruit.
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Co-Gesamtprojektleiterin Hannah Sutter.

Die Freude über diesen Triumph hallt bei Stadtpräsidentin Marieke Kruit während der kürzlichen Pressekonferenz über die WEURO 2025 immer noch nach. Im Erlacherhof informiert die Stadt unter dem Slogan «Berner Ballzauber» über den Grossanlass, der die Innenstadt und auch das Nordquartier im Juli in Beschlag nimmt. «Der SC Bund der YB-Meistertitel haben geholfen, die Begeisterung für Frauen- Teamsport in unserer Stadt zu erhöhen. Und gerade die Akzeptanz und Sichtbarkeit des Frauenfussballs ist noch einmal deutlich gestiegen», sagt Kruit gegenüber dem Anzeiger für das Nordquartier.

Spitzenspiel am 6. Juli

Zwei der total acht Spielorte liegen im Kanton Bern. Drei Gruppenspiele finden in Thun statt, drei Gruppenspiele (3., 6. und 11. Juli) plus ein Viertelfinal (18. Juli) in Bern. Sämtliche Partien sind schon ausverkauft. Hannah Sutter ist Co-Gesamtprojektleiterin Host City Bern. Die 46-jährige Rechtsanwältin sagt: «Alle Weichen sind gestellt für ein absolut friedliches und unvergessliches Fussballfest. Ich war letztes Jahr in Bilbao beim Champions- League-Final der Frauen zwischen Barcelona und Lyon. Unter den Fans herrschte ein bedingungsloses Miteinander, kein Gegeneinander. Das erwarten wir auch für Bern.» Sie trat ihre Stelle im Dezember 2023 an und hatte mit ihrem Team eineinhalb Jahre Zeit für die Organisation. «Das war herausfordernd, aber wir sind nun sehr optimistisch, dass alles wie gewünscht läuft.» Ob die Schweizerinnen beim Viertelfinal vom 18. Juli in Bern dabei sind, kommt auf ihre Leistungen in den Gruppenspielen an. Am meisten Fans in Bern erwartet werden Stand jetzt am Sonntag, 6. Juli,wenn das Team von Pia Sundhage im Wankdorf auf Island trifft. Dann und am 18. Juli gibt es einen gemeinsamen längeren Fan-Marsch vom Bundesplatz aus. Eindrückliche Bilder wie jene von der EURO 2008 mit einer vollen Kornhausbrücke sind 2025 nicht möglich. Wie Kruit im Erlacherhof noch einmal erwähnt, sei die Brückensanierung bereits ein Jahr vor der Turniervergabe fixiert worden und eine Verschiebung hätte hohe Zusatzkosten verursacht. Die Fan-Route führt jeweils ab 17.30 Uhr vom Bundesplatz durch die Altstadt zur Nydeggbrücke und zum Aargauerstalden hinauf über die Papiermühlestrasse zum Stadion. Am 3.und 11. Juli (Spanien gegen Portugal sowie Italien gegen Spanien) befindet sich der Fan-Sammelpunkt beim Viktoriaplatz. Von dort aus geht es Richtung Moserstrasse, Breitenrainplatz, Rodtmattstrasse, Guisanplatz und Papiermühlestrasse zum Stadion (Beginn jeweils 18.30 Uhr). Den Fans wird empfohlen, nach Möglichkeit mit dem öffentlichen Verkehr, mit dem Fahrrad oder zu Fuss anzureisen. Die An- und Rückreise mit dem ÖV ist im Match-Ticket inbegriffen. Beim Wankdorf stehen an den Spieltagen Schliessfächer zur Verfügung. Taschen sind wie bei Konzerten nur bis Grösse A4 erlaubt. 2000 zusätzliche Veloparkplätze sowie bewachte Kinderwagenparkplätze stehen zur Verfügung. «Fans mit körperlichen Beeinträchtigungen – insbesondere solche im Rollstuhl – müssen zwingend über den Bahnhof Bern anreisen. Aufgrund des eingesetzten Rollmaterials und des Personenaufkommens kann ein behindertengerechter Zugang am Bahnhof Wankdorf nicht sichergestellt werden», sagt Patric Schädeli, Teilprojektleiter Mobilität und Verkehr.

Fan-Zone Bundesplatz

Wer kein Ticket für die Spiele besitzt oder sich zuvor einstimmen will, besucht die Fan-Zone auf dem Bundesplatz mit Konzertbühne, Public Viewing und Riesenrad. Weitere Aktivitäten gibt es auf dem Bärenund dem Waisenhausplatz. Sämtliche Bereiche sind frei zugänglich. Marc Heeb vom Polizeiinspektorat, Co-Gesamtprojektleiter der Host City Bern, ist zuständig für die Sicherheit und sehr zufrieden mit dem bisherigen Vorbereitungsverlauf. «Dieses Miteinander würde man sich manchmal auch bei grossen Männer-Spielen wünschen», sagt er. Die Märkte können wie üblich am Dienstag und Samstag stattfinden. «Es freut mich, dass wir gemeinsam Lösungen finden konnten.» Punkto Sicherheit ist das OK mit der Kantonspolizei in ständigem Kontakt. Nebst den Mitarbeitenden der Orts und Gewerbepolizei steht auch ein Awareness-Team im Einsatz. Spezielle Eingänge und Zugangssperren gibt es analog der Aufwände bei der «Museumsnacht». «Beim Waisenhausplatz haben wir die üblichen Betonsperren. Zutrittskontrollen auf den Bundesplatz wird es an drei bis vier Tagen geben, wenn wir viele Leute erwarten, so zumBeispiel am 20. Juli beim Konzert von Lo & Leduc », sagt Heeb. «Und wir haben auch das Wetter stets im Blick. Im Juli können starke Gewitter immer einThema sein.» Die Fan-Zone wird vom 1. Juli bis zum 27. Juli täglich zwischen 14.30 Uhr und 23.30 bzw. 00.30 Uhr für den Verkehr gesperrt, analog demLichtspiel «Rendez-vous Bundesplatz».

Frauenfussball im Nordquartier

Die Zahl der lizenzierten Fussballerinnen in der Schweiz hat sich in den letzten Jahren deutlich erhöht. Gemäss dem Schweizerischen Fussballverband waren Ende 2023 über 41'000 Spielerinnen registriert. Auch der Anteil von Frauen und Mädchen in den Clubs ist gestiegen. 2015 lag er bei 8,5 Prozent, nun beträgt er zwölf Prozent. Der Verband erwartet durch die WEURO mittelfristig eine Verdoppelung. Der Fussballverband Bern/Jura (FVBJ möchte diesen Boomnutzen, um den Mädchen und Frauenfussball nachhaltig zu fördern und setzt vielseitige Massnahmen zur Verbesserung der Strukturen um. Eine dieser Massnahmen ist das Web-Tool «MEIN TEAM FVBJ». 

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Die beiden fussballverrückten Schwestern Lia (links) und Meret Wälti.
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Sonja Lundsgaard-Hansen, ex-Natispielerin und Trainerin beim FC Breitenrain.
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Im Doppelpack: Lia (oben) und Meret Wälti.

Damit können Eltern von fussballinteressierten Kindern überprüfen, ob in der Nähe ihres Wohnortes ein Fussballverein noch Platz in der für ihr Kind passenden Kategorie verfügbar hat. Das Frauen-Fanionteam des FC Breitenrain existiert seit der Saison 2022/2023 und ist soeben mit 18 Siegen aus 18 Partien und einem Torverhältnis von 153:10 Toren in die zweite Liga aufgestiegen. Trainerin ist die frühere Nati-Spielerin Sonja Lundsgaard- Hansen (43). Zur Ausgangslage für die Gastgeberinnen bei der WEURO sagt sie: «Das Heimpublikum wird die Frauen nochmehr pushen als in früheren Turnieren. Sie werden über sich hinauswachsen wollen. Und die Gruppenzuteilung hat ihnen natürlich eine vielversprechende Ausgangslage beschert. Die Auslosung hätte schlimmer herauskommen können.» Sie erwartet vor allem ein «grosses Fussballfest und eine allgemeine Begeisterung mit vielen Zuschauerinnen und Zuschauern im Stadion, in den Fan-Zonen und Public Viewings sowie zu Hause. Das Turnier zieht hoffentlich auch Leute an, die sich sonst nicht für Frauenfussball interessieren. Hinzu kommt die verstärkte Medienpräsenz. Ein Boom-Effekt wie jener nach dem Titelgewinn der Engländerinnen 2022 wäre schön.» Im europäischen Vergleich hinke der Schweizer Frauenfussball aber noch hinterher. «Vor allem punkto Zuschauerzuspruch, Lohngefälle und fehlender Infrastruktur, gerade in Bern. Auch die YB-Frauen spielten vor noch nicht allzu langer Zeit auf dem Sportplatz Wyler und nicht im Wankdorf. Im Nachwuchsbereich gibt es ebenfalls Aufholbedarf. Es fehlt hier vor allem auch an Trainerinnen und Trainern und nicht nur an Spielmöglichkeiten. Handkehrum sind wir schon viel weiter als noch vor zehn oder zwanzig Jahren. Das ist sehr positiv und darf auch einmal gesagt werden.» Zur Situation innerhalb des FC Breitenrain meint Lundsgaard-Hansen: «Die Akzeptanz im Verein war immer vorhanden. Ich half ja beim ganzen Aufbau mit und spürte von Beginn weg, dass der Frauen- und Mädchenfussball effektiv willkommen war und ist. Nicht die Akzeptanz ist gewachsen, sondern die Freude an den Teams. Und wir als Frauen spüren diese Wertschätzung. Was sicher auch daran liegt, dass wir erfolgreich sind. Erfolg hilft immer.» Sie selber ist als Zuschauerin ebenfalls an der WEURO anzutreffen. «Ich gehe extra nicht in die Ferien und habe Tickets für sieben Spiele. Ich finde es auch schön, dass sich meine ganze Familie für Frauenfussball interessiert. Und dass wir nicht nur bei den Spielen der Schweizerinnen mitfiebern, sondern auch bei jenen von Dänemark.» Ihr Tipp: «Wenn die Schweizerinnen tatsächlich über sich hinauswachsen, könnte der Halbfinal möglich sein, das wäre fantastisch.»

«Lia am Ball»

Im Team von Lundsgaard-Hansen figuriert auch die Texterin und Lektorin Meret Wälti. Zusammen mit ihrer Schwester Lia Wälti, Mittelfeldspielerin bei Arsenal London und Captain der Schweizer Nati, hat sie das Buch «LiaamBall» mit Illustrationen von Mireille Lachausse verfasst. Die erste Auflage war schon nach sechs Wochen ausverkauft. Das Buch für Kinder ab acht Jahren erzählt die teils biografische, teils erfundene Geschichte von Lia Wältiund wie siemutig ihren Traumverfolgt. Es ist auf Deutsch, Französisch, Englisch und Italienisch erhältlich (www.kaleiomag.ch). Lia Wälti ist offizielle Botschafterin der Host City Bern. Sie schwärmt vor allem von der Altstadt, den Lauben und der beeindruckenden Aussicht vom Rosengarten aus. Dort befindet sich einer der vier offiziellen EURO Fotopoints für Erinnerungsfotos. Die anderen drei Standorte sind beim Zytglogge, beim Bärenplatz und auf der Münsterplattform verteilt. Dass der Frauenfussball immer breitere Kreise zieht, zeigen nebst dem Buch der Wälti-Schwestern auch das während der WEURO erstmals erscheinende Magazin «Frau Müller» (www.fraumueller.ch), initiiert von der früheren «Blick»-Chefredaktorin Andrea Bleicher, oder das Sticker-Sammelalbum «Tschutti- Heftli», ein Projekt mit künstlerischem Anspruch weitab der herkömmlichen Kleber-Magazine. Vom 11. Juni bis zum 27. Juli gibt es dazu eine Ausstellung in der Turnhalle und im PROGR. Dort und auch in der Bibliothek Breitenrain an der Stauffacherstrasse 2 beim «Breitsch»- Platz können Sticker gekauftwerden (www.tschuttiheftl.li).

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Cover des Buches «Lia am Ball».
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FANWALKS

An der WEURO wird es an den vier Berner Spieltagen Fanwalks geben. Die «grosse Route» verläuft über die Altstadt und betrifft das Nordquartier nur am Rand (Aargauerstalden, Papiermühlestrasse, StadionWankdorf). Die kleine Route startet beim Viktoriaplatz und hat diverse Einschränkungen zur Folge:

3. Juli: Spanien vs. Portugal
11. Juli: Italien vs. Spanien
Sammelpunkt: Beim Viktoriaplatz Richtung Moserstrasse
Route: Viktoriaplatz – Moserstrasse – Breitenrainplatz – Rodtmattstrasse – Guisanplatz – Papiermühlestrasse – Stadion Wankdorf
Beginn/Dauer: 18.30 Uhr/ca. 40 Min.
Distanz: ca. 1,7 km

Provisorischer Zeitplan

Fanwalk Viktoriaplatz – StadionWankdorf

12.00 Uhr Beginn Programm Innenstadt
16.00 Uhr Einstellung ÖV-Tramlinie 9
16.30 Uhr Beginn Besammlung Moserstrasse
18.30 Uhr Beginn Umzug/Einstellung ÖV-Papiermühlestr.
19.00 Uhr Stadionöffnung
21.00 Uhr Spielbeginn/Öffnung Tramlinie 9


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