Abschied in Würde

Trauerrednerin Ursula Rüthy begleitet Angehörige in schweren Momenten

Seit über 50 Jahren unterstützt die Firma Egli Bestattungen Menschen beim Abschied von Angehörigen. Bestatterin und Trauerrednerin Ursula Rüthy (42) gab uns Einblicke in ihr bewegendes Tätigkeitsfeld.

Bianka Balmer
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Der Bereich der Trauerfeiern und Bestattungen hat sich im Laufe der Zeit verändert: Immer mehr Angehörige wünschen sich die Verabschiedung der verstorbenen Person durch die Begleitung eines/einer Trauerredners/in. Nach mehr als 20 Jahren im Pflegebereich fand Ursula Rüthy ihre berufliche Bestimmung in diesem Umfeld.

Liebe Ursula, erzähl uns doch etwas über dein bisheriges Leben!
Ich bin 42, Mutter zweier erwachsener Kinder (16 und fast 19 Jahre), die beide in Ausbildung sind, und im schönen Kehrsatz bei Bern zu Hause. Nach mehr als 20 Jahren in der Langzeitpflege wurde mir während der wohl für viele sehr prägenden und schwierigen Coronazeit bewusst, dass sich etwas in meinem beruflichen Leben ändern musste. Ich begab mich auf die Suche. 2022 bot sich mir mit der Stellenanzeige als Bestatterin bei Egli Bestattungen die Chance für den Wechsel in meinen heutigen Traumberuf, für die ich sehr dankbar bin.

Gab es ein Schlüsselerlebnis, das dich zu deinem heutigen Berufsfeld führte?
Der Beruf der Bestatterin hatte mich schon seit dem18. Lebensjahr fasziniert. Aufgrund meines jungen Alters, weil ich jung Mutter wurde und die Arbeit im Bestattungswesen eine 100%ige Tätigkeit erforderte, trat dieser Wunsch seinerzeit wieder in den Hintergrund. Nachdem ich 2022 meine Arbeit als Bestatterin angetreten hatte, merkte ich sehr schnell, wie bereichernd dieser Job ist: Von Herzen gern bin ich für Menschen in schweren Situationen dau nd begleite sie. Ich merkte auch, dass sich sehr viele aus der Kirche ausgetretene Personen bei Trauerfeiern und Beisetzungen eine Rede im Andenken an die verstorbene Person wünschen.

Da eine kirchliche Trauerfeier mit Pfarrer:in nach einem Kirchenaustritt meistens nicht mehr möglich ist, kommen die Trauerredner:innen ins Spiel. Bei der Arbeit als Bestatterin durfte ich einige Male erleben, wie eine Trauerrednerin auf das Leben der verstorbenen Person einging und sie sehr würdig verabschiedete. Das ergriff mich und so entschloss ich mich, selbst die Ausbildung zur/zum Trauerredner:in zu absolvieren. Schon sehr bald nach meinem erfolgreichen Abschluss begannich, Trauerreden zu halten.Daich als Bestatterin mit den Angehörigen in Kontakt bin, erhalte ich viele Anfragen direkt. Aber auch für von meinen Arbeitskolleg:innen betreute Klient:innen übernehme ich sehr gerne Trauerreden.

Welche besonderen Erfahrungen konntest du in diesem Beruf machen?
Etwas sehr Schönes und Wichtiges, das ich bei meiner Arbeit als Bestatterin überaus schätze, ist der Kontakt zu den Angehörigen, Freunden und/oder der Familie vom ersten Moment an. So habe ich die Möglichkeit, Einblicke in die persönliche Situation des/der Verstorbenen, in die Familie, die Umgebung und bei der Abholung in die Wohnumgebung zu gewinnen und mir so ein Bild der Person zu machen, wie sie gelebt hat und als Mensch war. Wenn ich nur in meiner Funktion als Trauerrednerin tätig wäre und den Erstkontakt nicht hätte, wäre dies wohl nicht so einfach. Durch den während einiger Wochen sehr intensiven Kontakt zur Familie, die Erlebnisse in persönlichen Gesprächen und das Beisein bei Aufbahrungen wächst man automatisch in kurzer Zeit zusammen.

Als mich die Tochter einer verstorbenen Person am Ende einer Trauerfeier fragte, ob sie mich umarmen dürfe, und sagte, sie habe nach der kurzen Zeit das Gefühl, wir würden uns schon sehr lange kennen, war das für mich der schönste Satz, den ich bisher gehört hatte. So etwas tut sehr gut und bestätigt, dass man die Leute dort unterstützt hat, wo sie es in der jeweiligen Situation brauchte und dass dies geschätzt wird.

Wie hat sich deine Arbeit im Laufe der Zeit verändert?
Meine Doppelfunktion als Bestatterin und Trauerrednerin kann ich gut leben und erhalte Zeit zum Verfassen von Texten. Heute grenze ich mich noch bewusster ab und sage lieber einmal mehr Nein, um mir Zeit für die jeweilige Familie zu nehmen und mich voll und ganz auf die Trauerrede zu konzentrieren.

Ich bin viel offener geworden und nicht mehr so nervös wie am Anfang, schaue die Leute häufiger direkt an und erzähle manchmal auch, wie ich Momente aus meiner Sicht erlebt habe. Das ermöglicht, dass es in tragischen und traurigen Situationen Augenblicke gibt, in denen wir zusammen lachen können. Diese gegenseitige Offenheit lege ich den Menschen in den Gesprächen ans Herz.

Die Anwesenden an der Trauerfeier wissen nicht, wer ich bin. Mein grösstes Ziel für eine gelungene Beisetzung ist es, die Trauerrede so zu gestalten, als wäre der/die Verstorbene keine fremde Person für mich gewesen.

Was sind deine Wünsche für die Zukunft?
Dass sich allgemein das Denken über das und der Umgang mit dem Thema Tod/Bestattung verändert. Wenn ein Mensch (egal welchen Alters) stirbt, ist die Situation sehr tragisch, traurig und schwierig. Man sollte generell das Leben und die Zeit, die man mit der Person hatte, viel mehr schätzen, feiern und auch in der Trauerfeier erwähnen. Leider ist diese Einstellung in unserer Gesellschaft noch nicht sehr weit verbreitet und es gibt bei Trauerfeiern viele Tabus. Das ist sehr schade. Meiner Meinung nach darf man je nach Situation und Wünschen z.B. sehr wohl lustige, «lüpfige» Musik laufen oder Ballons steigen lassen.

Wir haben einen wunderschönen Aufbahrungsraum mit Aufenthaltsraum. Die Menschen kommen zu uns und verbringen hier ihre letzte Zeit mit der verstorbenen Person. Im Aufbahrungsraum platzieren wir auch immer den Sargdeckel, auf dem ein letzter Gruss oder eine Zeichnung angebracht werden kann, wenn man es möchte. Unserer Erfahrung nach kann dies beim Abschied sehr helfen.

Ich liebe meinen Job als Bestatterin und Trauerrednerin, in dem ich die Menschen und ihre Angehörigen auf dem letzten traurigen Weg begleiten darf, möchte in meinem Leben beruflich nichtsm ehr anderes machen und bin dankbar für jeden Augenblick und jede Begegnung hier.

Liebe Ursula, vielen Dank für dieses Interview und eurem ganzen Team für eure Arbeit. Wir wünschen dir alles Gute!

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Ursula Rüthy. Bilder: zVg
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