Rooftop Grill

Die Nacht schickt ihre Jäger aus

Der Rooftop Grill auf dem Kursaal-Dach ist wieder offen. Bis Ende August zeigen die Feuermeister, wie vergnüglich das Erhitzen von Fleisch durch eine offene Glut wirklich sein kann.

Jean-Claude Galli
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Heisser Anwärter für den 1. Rang unter den schönsten Schweizer Grillplätzen. Bilder: jc/zVg

Was die Grillfreuden angeht, sind wir buchstäblich ein gebranntes Kind oder zumindest ein kräftig eingeräuchertes. In unserer unmittelbaren Nachbarschaft gibt es nämlich einen Mann, der ab 18 Grad Aussentemperatur und bei einer Regenwahrscheinlichkeit von weniger als 80 Prozent garantiert jeden zweiten Abend seine Höllenmaschine in Betrieb nimmt. Und zwar eine elektrische, die im Ganzen etwa viermal so viel Rauch erzeugt wie ein Holzkohlemodell und zeitweise die halbe Strasse einnebelt. Wahrscheinlich liegt es am Grillgut, das vermutlich aus den Kühltruhen eines deutschen Harddiscounters stammt, marinierte Pouletbrüste, Würste mit Käse-Einlagen und dergleichen Teufeleien mehr. Sie sehen, wir haben ein eher ambivalentes Verhältnis zum Lieblingshobby des verspielten Schweizer Mannes zwischen 20 und 80, würden selber nie eine Grillzange zur Hand nehmen und sind auch generell vorsichtig, wenn Lokale Gerichte vom Grill anbieten. Ausnahmenmachen wir nur beim Zürcher «Sternen Grill» oder im «Baschi» im Obergoms. Und wir springen auch dann gerne über unseren Schatten,wenn der Kursaal jeweils zur Eröffnung seines Rooftop Grills mit bester Sicht auf die Alpen und unsere Lieblingsstadt lädt. Denn dort wissen wir uns für einen Abend lang gut aufgehoben und die Männer am «Green Egg» verstehen ihr Fach.

Hopfentee und Rebensaft

Beim letztjährigen Startschuss zeigte sich das Wetter von der ungehobelten Seite und wir erinnern uns, dass wir am Schluss sogar um die Winterjacke froh waren, weil uns der kurzzeitige Kälteeinbruch und die Regenwolken schon an den Herbst gemahnten. Mitte Juni 2025 aber, am 11., um genau zu sein, ist die Sonne dauerhaft präsent und auch der «Kanada-Rauch», ausgelöst durch Partikel von Waldbränden in Übersee, hat sich verzogen. Kursaal-Generaldirektorin Karin Kunz begrüsst die Gäste persönlich und wir lassen uns zur Einstimmung erst einmal ein «Bärengold» reichen, das auf uns eine ähnliche Wirkung hat wie bei Marcel Prousts Roman «Auf der Suche nach der verlorenen Zeit» der Lindenblütentee. Dazu empfiehlt sich eine Apéroplatte mit ausgewählten Fleisch-und Käse-Köstlichkeiten von Jumi mit Feigensenf, Portweingelée und eingelegtemGemüse. New-York-Fans sind mit dem Pastrami-Sandwich gut bedient und Experimentierfreudigen legen wir die frittierte Essiggurke mit Knoblauchdip ans Herz. «Leider geil», wie neben uns ein Sachverständiger bemerkt. Biermuffel können wir beruhigen. Die Auswahl an Bubbles und Drinks ist beträchtlich. Wir raten diesbezüglich zum«Green Garden» mit Tanqueray Gin, Limettensaft, Gurken-Basilikum-Sirup und Ginger Ale, den es auch in einer alkoholfreien Variante gibt. Wenn es den Trend hin zu Getränken ohne «Pfuus» tatsächlich gibt, kanner auf dieser Terrasse und heute Abend nicht empirisch belegt werden. Für die Weinfreunde zwei Notizen: Ein Roero Arneis Tistin von Marziano Abbona macht sich in solchen Situationen immer gut, wir erahnen Birnen, Pfirsiche und Zitrusfrüchte. Und beim Rotwein neigen wir als einigermassen weit gereiste Bonvivants mittlerweile dazu, das Glück in der Nähe zu suchen und in Kombination mit kräftigen Fleischspeisen meistens beim Tessiner Merlot zu finden. Insbesondere wenn er aus dem Hause Gialdi/ Mendrisio stammt.

Musik, Salat und Kalbereien

Bei den Vorspeisen sagen wir Folgendes: Kalbstatar zwar höchst erfreulich, gefüllte Aubergine gut und recht, Pfirsich-Burrata überraschend harmonisch und der Rooftop- Salat an einem Miso-Dressing leicht und erfrischend. Aber machen Sie um Himmelswillen nicht den Fehler, die Vichyssoise links liegen zu lassen, nur weil Sie Ihnen auf einer Grillkarte zu exotisch erscheint. Diese gebundene Lauchcrèmesuppe ist ein Klassiker der gehobenen Küche, der direkt bei Marcel Prousts Lindenblütentee anknüpft und uns gedanklich in längst vergangene Zeiten bei unserer Grossmutter am Friedhofweg in Steffisburg zurückversetzt, als die Welt noch unschuldig schien und voller bunter Rätsel. Nun bereits etwas in Stimmung gebracht, wäre etwas Musik sehr wünschenswert, wie schon Johann Wolfgang von Goethe wusste. An fünf ausgewählten Samstagen finden für Freunde der elektronischen Klänge die «Rooftop Sessions» statt. Den Anfang machen am 28. Juni die Saxofonistin Joko Magic und die DJane Toketa.

Bananensplit und Zuckerhut

Doch Musik ist auch, was nun vom Grill und über die Küche auf unsere Teller kommt: Pork Secreto (Pata Negra Bellota), Rindsbavette (Swiss Black Angus) sowie ein Tomahawk Steak von Luma, Alabama White Chicken aus dem Smoker, Forelle aus Rubigen. Und der glasierte Rettich mit Jalapeño, Soisson-Bohnen und Nori entzückt nicht nur Vegetarier. Beste Beilage des Abends? Für uns klar der Ofenfenchel. Auch um das Gewissen in Anbetracht dieser Völlerei zu beruhigen und die Rooftop Fries zu umschiffen. Wenn Sie übrigens partout auffallen möchten: Mit dem Rooftop Burger, eingefasst in einen Brioche-Toast-Würfel, schaffen Sie es bestimmt. Desserts? Ein Affogato al caffè geht immer. Und wer lieber die harte Tour mag, wählt den Bananensplit.

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INFOS

Küche: hier kommen Sie nicht um den Grill herum

Service: leger, aber nie salopp

Ambiente: Mallorca, Timmendorf, Ascona, Korsika

Preise: im gehobenen Segment, aber angemessen

Adresse: Kornhausstrasse 3, 3013 Bern, Tel. 031 339 52 42

Offen bis Ende August jeweils von Dienstag bis Samstag ab 17.00 Uhr (Reservation empfohlen)


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