10. Mai: 43. Grand-Prix von Bern

Ein Lauf wie diese Stadt

Beim Breitensport-Event GP Bern löst Andrea Zryd Matthias Aebischer im OK-Präsidium ab. Grössere Veränderungen sind vorerst nicht geplant.

Text: Jean-Claude Galli, Bilder: swiss-image.ch/zVg
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2019 gewann Geoffrey Kamworor in der bis heute gültigen Rekordzeit von 44:56 Min. Der Kenianer ist dieses Jahr erneut am Start. Bild: zVg

Matthias Aebischer (57) bringt es im Gespräch mit dem Anzeiger für das Nordquartier auf den Punkt. «Andrea ist ein absoluter Glücksfall für den GP», sagt der neue SP-Gemeinderat. Seit Anfang 2025 steht Aebischer der Direktion für Tiefbau, Verkehr und Stadtgrün vor. Um Interessenskonflikte zu vermeiden, gab er das Amt als OK-Präsident des GP nach vierzehn Jahren ab. Seine Parteikollegin Andrea Zryd (49), die 2023 für Ständerätin Flavia Wasserfallen in den Nationalrat kam, ist noch sportaffiner als Aebischer. Die Sportlehrerin und Trainerin wohnt in Magglingen, wo sie auch arbeitet. Politisch engagiert sie sich in den Bereichen Sport, Bilstaltung des Landes. Nur die «Escalade» in Genf verzeichnet jeweils mehr Teilnehmende. Dazu kommen geschätzt über 100 000 Zuschauende in der ganzen Stadt. «Der GP ist ein Volksanlass, der Breiten- und Spitzensport sowie Jung und Alt vereint. Kennzeichnend ist auch das motivierende Publikum am Strassenrand, das die Finisher trägt. Denn der Schluss ist verdammt hart, egal, über welche Distanz jemand startet», spricht Zryd den Aargauerstalden an. «Der GP ist mehr als nur ‹seckle›. Wenn ich trainieren gehe, sehe ich viele Leute mit GP-Shirts aus den verschiedensten Jahren, die eine richtige Community bilden. Das freut mich sehr.» noch die Ehrengäste begrüssen und einlaufen. Aber ich bleibe Athletin. Meine Kinder und mein Partner starten auch. Ich bin wirklich stolz, eine Veranstaltung mit einem derart positiven Image anführen zu dürfen. Es gibt wohl kaum ein Lauffest auf der Welt, bei dem die Startenden so umkompliziert teilnehmen können und so viel von der Hauptstadt eines Landes sehen.» Tatsächlich wirkte der Wunsch, die Läuferinnen und Läufer an möglichst vielen Sehens- würdigkeiten vorbeizuführen, Anfang der 1980er-Jahre stark auf die Streckengestaltung ein. Die spezielle Distanz ergab sich aus der Kleinräumigkeit von Bern und weil Städtemarathons damals noch nicht Bildung, Finanzen und Sicherheit. Zryd war Aebischers Wunschkandidatin für seine Nachfolge. «Sie war aber nicht nur meine Favoritin, sondern jene des gesamten Vorstandes. Als ich sie kontaktierte, zweifelte sie zuerst wegen des Aufwandes, beruflich und als zweifache Mutter. Ich musste sie dann etwas ‹bearbeiten›. Mittlerweile ist sie sehr glücklich, dass ich sie zu diesem Amt ‹gezwungen› habe», erzählt er lachend.

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Matthias Aebischer.
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Andrea Zryd und Matthias Aebischer.

«Der Schluss ist verdammt hart»

Tatsächlich ist das seit 1982 jährlich stattfindende Rennen (ausser 2020) eine grosse «Kiste». 2024 erreichte der Anlass mit 29 860 Anmeldungen wieder Vor-Corona-Niveau. Heuer gibt es sicher einen neuen Rekordwert. Die Marke von 33'618 aus dem Jahr 2017 wurde bereits übertroffen. Die Obergrenze liegt aus Kapazitätsgründen bei 35'000. Meldeschluss war am Montag dieser Woche. Der Grand Prix Bern gehört mit über 30 000 Startenden zu den grössten Breitensportanlässen der Schweiz und ist die zweitgrösste Laufveranstaltung des Landes. Nur die «Escalade » in Genf verzeichnet jeweils mehr Teilnehmende. Dazu kommen geschätzt über 100 000 Zuschauende in der ganzen Stadt. «Der GP ist ein Volksanlass, der Breiten- und Spitzensport sowie Jung und Alt vereint. Kennzeichnend ist auch das motivierende Publikum am Strassenrand, das die Finisher trägt. Denn der Schluss ist verdammt hart, egal, über welche Distanz jemand startet», spricht Zryd den Aargauerstalden an. «Der GP ist mehr als nur ‹seckle›. Wenn ich trainieren gehe, sehe ich viele Leute mit GP-Shirts aus den verschiedensten Jahren, die eine richtige Community bilden. Das freut mich sehr.»

Start und Ziel seit 1982 im Nordquartier

Zryd ist dem GP seit Langem verbunden. «Ich habe bisher immer darauf geschaut, dass ich arbeitsfrei hatte, damit ich selber teilnehmen konnte und war als Mittelstrecklerin schon 16-mal auf dem Altstadt-Parcours dabei. Ich habe mir nun ausbedungen, auch als Präsidentin weiter rennen zu können. Das funktioniert, ist aber etwas stressig. Zuvor sollte ich noch die Ehrengäste begrüssen und einlaufen. Aber ich bleibe Athletin. Meine Kinder und mein Partner starten auch. Ich bin wirklich stolz, eine Veranstaltung mit einem derart positiven Image anführen zu dürfen. Es gibt wohl kaum ein Lauffest auf der Welt, bei dem die Startenden so umkompliziert teilnehmen können und so viel von der Hauptstadt eines Landes sehen.» Tatsächlich wirkte der Wunsch, die Läuferinnen und Läufer an möglichst vielen Sehenswürdigkeiten vorbeizuführen, Anfang der 1980er-Jahre stark auf die Streckengestaltung ein. Die spezielle Distanz ergab sich aus der Kleinräumigkeit von Bern und weil Städtemarathons damals noch nicht dermassen im Trend lagen. Und das Start-Ziel-Gelände bei der Bernexpo drängte sich wegen der weitläufigen Platzverhältnisse und der guten Verkehrserschliessung auf.

«Die Streckenführung ist unantastbar»

Eine knappe Woche nach dem BEAEnde folgt also gleich der nächste Grossanlass am selben Ort. Aebischer sagt dazu: «Der Event ist eine Belastung für das Nordquartier, auch verkehrstechnisch, das ist klar. Aber es gab wirklich nie viele Reklamationen. Immer mehr Teilnehmende kommen zu Fuss, mit dem Velo oder mit der S-Bahn. Als ich als Präsident begann, brauchten wir noch viele Autoparkplätze. Diese Zeiten sind vorbei.» Wichtig zu sagen ist auch, dass beim GP zwar Sportlerinnen und Sportler aus rund 140 Nationen dabei sind, rund 75 Prozent der Menschen aber aus dem Kanton Bern stammen. Rund ein Drittel davon aus der Stadt selber. Massiv verändert hat sich das Geschlechterverhältnis. Figurierten unter den 3139 Teilnehmenden 1982 gerade mal 4,5 Prozent Frauen, hat sich diese Zahl bis heute verzehnfacht. Zum nachbarschaftlichen Verhältnis im Bereich um die Bernexpo meint Andrea Zryd: «Das Nordquartier ist ideal geeignet und wird am Lauftag zu einer einzigen Begegnungszone. Wenn man bedenkt, welche Masse zusammenkommt, sind die Abläufe erstaunlich reibungslos und auch das Abfallkonzept funktioniert.» Gründe für eine Streckenänderung inklusive Start-Ziel-Gebiet gebe es nicht. «Ich kann es mir nicht anders vorstellen», sagt Zryd. Und Aebischer meint: «Die Streckenführung ist im Ganzen unantastbar.» Angepasst wurde sie letztmals auf die Austragung 2004 hin im Bereich Dalmaziquai/ Dählhölzli. Die Rekorde halten der Kenianer Geoffrey Kipsang Kamworor (44:56 Min./2019) und die Belgierin Marleen Renders (52:58 min./2002). Rekordgewinner sind die Ostdeutsche Katrin Dörre mit drei und Lokalheld Markus Ryffel mit vier Siegen.

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Die Männerspitze 2024 in der Altstadt, ganz rechts der nachmalige Sieger Dominic Lobalu. Er fehlt 2025 aus Verletzungsgründen.
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2013 zeigte Matthias Aebischer als Nationalrat und OK-Präsident dem äthiopischen Spitzenläufer und nachmaligen Sieger Haile Gebrselassie das Bundeshaus.
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Der GP und die neue Festhalle

Auswirkungen auf den Anlass im Start-Ziel-Bereich hat die neue Festhalle, wo sich nun kommerzielle Laufsport-Anbieter und Partner mit ihren Ständen in der «Sport-Expo» präsentieren und die Startnummern und Finisher-Shirts ausgegeben werden. Letztes Jahr war hier noch eine Grossbaustelle. «Ich zweifelte zuerst, ob bis zum GP alles fertig wird. Aber die Halle ist wirklich gelungen», sagt Aebischer. «Es ist cool, das nun alles beieinander ist und ich bin gespannt, wie sich die Anlage in der Praxis bewährt», sagt Zryd. Sie verhehlt aber nicht, dass die verbesserten Optionen auch teurer sind. «Und wir dürfen die Gesamtkosten nie aus den Augen lassen.» Vor diesem Hintergrund gibt es eine markante Änderung im Sponsoring-Bereich, wo Coca-Cola mit Powerade den langjährigen Partner Isostar ablöst. Der Lauftag selber ist mit den drei Distanz-Angeboten schon ziemlich ausgelastet. «Bei den Side Events gibt es allenfalls Spielraum. Eine Option wäre, Schulklassen oder einzelne Kategorien auf den Freitagabend zu verlagern. Ich könnte mir auch einen Nachtlauf vorstellen. Wünsche gibt es immer. Ob es sich dabei um echte Bedürfnisse handelt, ist eine andere Frage», sagt Zryd. «Wir müssen nicht partout alles abdecken und uns immer überlegen, ob wir noch grösser werden oder lieber die Qualität hochhalten wollen. Es haben mich schon viele Leute mit Vorschlägen angerufen. Doch wir haben keinen Grund, etwas grundsätzlich zu verändern. Wichtig ist, dass die Läuferinnen und Läufer an der Spitze ihre Leistung ebenso ungehindert erbringen können, wie jene, die zum Vergnügen starten. Das Erlebnis soll für alle stimmen. Wir werden uns nach dem 10. Mai zusammensetzen und die Vorschläge evaluieren. Wir müssen nicht jeden Gag mitmachen und sollten uns treu bleiben. Aber wir dürfen auch keine Scheuklappen haben. Potenzial gibt es immer.» Eine Ausdehnung auf den Freitag würde nicht nur den Samstag entlasten, sondern wäre auch relevant für potenzielle Übernachtungsgäste. Ein Aspekt, der auch der Hotellerie und Tourismusförderung gefallen dürfte. Diesbezüglich lässt sich auch festhalten, dass die Kritik aus der Altstadt gegenüber dem GP definitiv verstummt ist. «Als ich übernahm, gab es noch einzelne negative Stimmen von den Geschäften und Restaurants wegen der schlechteren Zugänglichkeit während des Laufes. Aber wir sind zusammengesessen und alle ziehen nun am gleichen Strick, auch die Stadtregierung», sagt Aebischer.

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«Ich greife immer an»

Zurück zum Lauftag. Vor seiner Zeit als OK-Präsident hat Matthias Aebischer den GP 20-mal über die volle Distanz absolviert. Ein unvergessliches Jahr für ihn war 1992. «Für Radio Förderband kommentierte ich live», erinnert sich der ehemalige Journalist. «Damals gab es die ersten Natels, etwa 300 Gramm schwer. Mit so einem Ding habe ich teilgenommen und mich von unterwegs gemeldet. Das war eine kleine Sensation, dass man das überhaupt konnte.» Seine Bestzeit datiert von 2004, als er für die rund 16 Kilometer eine Stunde und fünf Minuten benötigte. Heuer startet Aebischer nach vierzehn Jahren wieder, allerdings etwas gemütlicher. Mit seiner Partnerin, der Zürcher Ständerätin Tiana Angelina Moser, peilt er eine Zeit von ungefähr eineinhalb Stunden an. «Mit dem ganz grossen Ehrgeiz ist es vorbei. Dafür können wir es geniessen. » Etwas ambitionierter ist der Plan von Andrea Zryd beim Altstadt-Grand-Prix über 4,7 Kilometer. «Letztes Jahr war ich um die 22 Minuten unterwegs. Das wird heuer schwierig, weil ich nicht soviel trainieren konnte. Aber ich greife immer an», verspricht sie. Neu gibt es für Zeiten unter einer Stunde über die volle Distanz wieder eine Spezialmedaille. «Der Laufsport hat sich verändert. Ganz vorne wird es immer noch schneller. Doch es gibt weniger Dichte an schnellen Zeiten, dafür mehr Fun-Läufer. Ich finde ich es vor allem wichtig, dass die Menschen sich bewegen. Wie schnell sie sind, ist zweitrangig», sagt Zryd.

Das Wetter und die Sicherheit

Immer ein Thema ist das Wetter. Aebischer sagt: «Bedeckt und kühl bedeutet Spitzenzeiten. Dafür ist die Afterparty in den Gärten am Abend nicht so gut. Wenn alle etwas langsamer rennen, weil es wärmer ist, gibt es danach ein Riesenfest. Als OK-Präsident hatte ich Variante 1 etwas lieber wegen der Gesundheit der Laufenden. Gefährlich sind jene Ausgaben, die auf das erste heisse Wochenende des Jahres treffen.» Ein tragischer Zwischenfall ist nie ausgeschlossen. Todesfälle ereigneten sich in den Jahren 1985, 1999, 2010 und 2019. «Statistisch gesehen gibt es alle fünf Jahre einen Todesfall bei einem Anlass dieser Grösse. Bei 35 000 Menschen ist es gut möglich, dass jemand Herzprobleme hat. Es kann leider immer etwas passieren», ist sich Zryd bewusst. Für ihr Debüt als OK-Präsidentin wünscht sie sich «einen Lauf wie immer, freudig und friedlich, damit die Sicherheit nicht zum Thema wird. Wir haben eine gut ausgebaute Krisenkommunikation und sind mit der Kapo und dem Nachrichtendienst in ständigem Austausch. Nach Vorfällen im Ausland haben wir mehr Betonblöcke als früher im Einsatz. Aber wir wollen keine Angst schüren. Es ist sensationell, dass wir in diesem Land einen solchen Lauf mit so vielen Menschen durchführen können, der erst noch vor dem Bundeshaus vorbeiführt. Im Hintergrund unternehmen wir viel für die Sicherheit. Das meiste ist unsichtbar und soll es auch bleiben. Wir freuen uns alle enorm auf den 10. Mai».

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