Johanneskirche

Eine Atempause mitten im Alltag

Eine Stunde lang die Geschäftigkeit des Alltags unterbrechen, Ruhe finden und gestärkt den Tag beenden: Dafür ist die Meditation «AbendStille» am Mittwochabend in der Johanneskirche gedacht. Unerfahrenen empfiehlt sich vorgängig der Besuch des vierteiligen Kurses «Einführung in die Stille».

Karin Meier
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Die Fenster im Chorraum der Johanneskirche leuchten im Wechsel des Tageslichts immer wieder anders und unterstützen die meditative Stimmung. (Bild: Karin Meier)

Am Mittwochabend schliesst die Tür des Seiteneingangs zur Johanneskirche um 19 Uhr. Für eine Kirche mitten in einem belebten Wohnquartier ist es hier erstaunlich ruhig. In wenigen Augenblicken beginnt im Chorraum der Kirche die «AbendStille». Alle richten sich ihren Platz auf den Matten ein. Einige sitzen auf einem Kissen, andere bevorzugen eine Meditationsbank, die sie beim Knien stützt. Die Teilnehmenden eint das Bedürfnis, mitten in der Woche auf sich selbst aufmerksam und still zu werden. «Wir wollen für eine Stunde den Zentrifugalkräften des Alltags entkommen, die uns in alle Richtungen reissen, und in unsere Mitte kommen, gegenwärtig werden», sagt Mirjam Wey, Co-Leiterin des Angebots. Dass dies gemeinsam im Kreis mit anderen geschieht, mache es einfacher: «Die Gemeinsamkeit stärkt die Stille.»

Wertschätzender Rückblick auf den Tag

Die anleitende Person – dies sind im Wechsel Pfarrerin Mirjam Wey, Pfarrer Herbert Knecht und Myriam Grütter – zeigt den Beginn der Meditation mit einer kleinen Geste an. Im Winterhalbjahr, wenn die Kirchenglocken bereits um 19 Uhr den Abend einläuten, tut sie dies erst nach dem Ende des Geläuts. Die Teilnehmenden stehen auf, drei Kerzen werden angezündet, und alle singen gemeinsam ein Lied. Danach nehmen alle Platz auf ihren Matten und folgen einer angeleiteten Achtsamkeitsübung, in der sie ihren Körper und ihren Atem wahrnehmen. «Schweifen die Gedanken ab, hilft die Konzentration auf den Atem, um wieder zur Meditation zurückzufinden», sagt Mirjam Wey.

Darauf folgt ein ebenfalls angeleiteter Tagesrückblick in der Tradition des «Gebets der liebenden Aufmerksamkeit » von Ignatius von Loyola. «Wir vergegenwärtigen uns des vergehenden Tages», sagt Mirjam Wey. «Dabei lassen wir die Dynamik des Tages wertfrei und in liebevoller Haltung wie einen Film vor unserem inneren Auge vorbeiziehen.» Der Tagesrückblick geht über in ein individuelles inneres Gebet. Diese Sequenz dauert rund 15 Minuten und wird über eine Klangschale eingeläutet und beendet.

Leiser Abschied

Nach einem meditativen Gehen durch die Kirche, ebenfalls in Stille, nehmen die Teilnehmenden wieder Platz auf ihren Matten. Ein kurzer Text aus der Bibel, der dreimal wiederholt wird, bildet das Zentrum der nächsten Sequenz: Die Teilnehmenden lassen in der Stille den Text auf sich wirken. Abgeschlossen wird dieser Teil mit dem gemeinsam gesprochenen Unser-Vater-Gebet. Danach erheben sich die Anwesenden, singen ein Lied und empfangen den Segen. Still und irgendwie anders, als sie gekommen sind, gehen sie danach in den Abend.

Interessierte sind herzlich willkommen, bei der «AbendStille» mitzumachen. Meditationserfahrung braucht es laut Mirjam Wey nicht, wohl aber – frei nach Nelly Sachs – eine «Sehnsucht nach Stille» sowie die Fähigkeit, 20 Minuten möglichst ruhig zu sitzen. Wer sich dies noch nicht zutraut, ist zum Einführungskurs eingeladen. Er besteht aus vier Modulen und führt Schritt für Schritt in die Stille und Meditation ein.

3 Fragen an Mirjam Wey

Wie haben Sie zur Meditation gefunden?
Ab dem Sommer 2007 besuchte ich jedes Jahr im Centovalli eine Weiterbildungswoche in Exerzitien. Irgendwann merkte ich, dass die inneren Prozesse, die beim Meditieren in Gang gesetzt werden, über die Zeit im Centovalli hinaus wirkten und mehr und mehr Teil meines Alltags wurden. Dies verstärkte sich noch, als ich 2018 bis 2022 im Lassalle-Haus eine Ausbildung als Exerzitienleiterin absolvierte. Seit Langem beginne ich meinen Tag damit, dass ich eine Dreiviertelstunde auf meinem Gebetsplatz sitze und meditiere.

Was bringt Ihnen die innere Einkehr?
Das stille kontemplative Gewahrsein und das innere Gebet ordnen mich. Sie geben mir Halt und das Gefühl, eine Mitte zu haben. Ich spüre eine Verbindung zum Göttlichen und zu den Menschen. Die Zeit am Morgen ist aber auch ein Bereitwerden für den Tag.

Was empfehlen Sie Menschen, die zum ersten Mal meditieren?
Üben, üben, üben. Meditation erfordert einen langen Atem. Viele Menschen haben die Erwartung, dass sich schnell etwas tut. Meist ist dies nicht der Fall. Denn Meditation ist ein langer und langsamer Weg in eine kontinuierliche Vertiefung.


Stille mit anderen üben und pflegen

Einführung in die Stille

  • Daten: Montag, 21. und 28. Oktober, 4. und 11. November, 19–19.45 Uhr
  • Ort: Chorraum in der Johanneskirche
  • Kosten: 20 Franken für alle vier Abende
  • Leitung: Pfrn. Mirjam Wey
  • Anmeldung bis am 7. Oktober bei Pfrn. Mirjam Wey

«AbendStille»

  • Eine Haltestelle mitten in der Woche Jeden Mittwoch (ausser während der Schulferien), 19–20 Uhr Einführung für jene, die zum ersten Mal mitmachen, bereits um 18.50 Uhr
  • Leitung im Wechsel: Mirjam Wey, Herbert Knecht, Myriam Grütter
  • Mitbringen: Warme, rutschfeste Socken. Vor 19 Uhr durch den Seiteneingang eintreffen. Die Kirche wird für die Dauer der «AbendStille» geschlossen. Das Angebot ist kostenlos.
  • Auskunft für beide Angebote erteilt Mirjam Wey: 031 331 34 70, mirjam.wey@refbern.ch
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Mirjam Wey, Pfarrerin, Exerzitienleiterin und geistliche Begleiterin. (Bild: Ramon Lehmann)

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