Knatsch wegen Liegenschaften
Die reformierte Kirche muss wegen anhaltenden Mitgliederschwunds ihr Immobilienportfolio entschlacken. Das ist keine einfache Angelegenheit, wie das Beispiel Nordquartier zeigt.
In den reformierten Kirchgemeinden der Stadt Bern sind weitreichende Umwälzungen im Gang. So sollen die zwölf autonomen Kirchgemeinden zu einer Gesamtgemeinde fusioniert werden. Zudem müssen kirchliche Gebäude veräussert werden, die aufgrund des anhaltenden Mitgliederschwunds nicht mehr ausgelastet werden können. Vor zwei Wochen hat der Grosse Kirchenrat (GKR) der Evangelisch-reformierten Gesamtkirchgemeinde Bern (GKG Bern) den Fusionsvertrag und das künftige Organisationsreglement verabschiedet. Die Pläne sehen vor, dass die einzelnen Kirchgemeinden bis Ende Mai Abstimmungen über die Fusion durchführen. Wenn neun Kirchgemeinden der Fusion zustimmen, kommt sie zustande.
Einen Schritt weiter
Etwas weiter ist man bereits bei den Kirchgemeinden im Nordquartier. Die Kirchgemeinden Johannes und Markus haben entschieden, sich zur evangelisch-reformierten Kirchgemeinde Bern-Nord zusammenzuschliessen. Künftig sollen nur noch die Räumlichkeiten der Kirchgemeinde Markus genutzt werden. Kirche und Kirchgemeindehaus Johannes würden im Baurecht abgegeben werden.
Damit die Pläne realisiert werden können, muss aber zuerst das Ensemble Markus – bestehend aus Kirche, Pfarrhaus und Kirchgemeindehaus – saniert und umgebaut werden. So ist vorgesehen, dass auf dem Areal unter anderem ein Gastrobetrieb entsteht und Teile der Räume auch von kirchenexternen Kreisen genutzt und gemietet werden können. Das Vorhaben im denkmalgeschützten Ensemble wird mit rund 15 Millionen Franken veranschlagt. Der grosse Kirchenrat der Gesamtkirchgemeinde Bern hat den Kredit Ende 2023 bereits bewilligt. Nur: Aufgrund einer Beschwerde ist das Vorhaben bis auf Weiteres blockiert.
Wider dem Zweck?
Die Beschwerden stammen von mehreren Einzelpersonen, werden aber vor allem Benedict Christ zugeschrieben, dem Kirchgemeinderatspräsidenten der in der Länggasse beheimateten KG Paulus. Ursprünglich reichten Christ und seine Mitstreiter vier Beschwerden ein: gegen das verabschiedete Budget der GKG, gegen den Ausführungskredit zum Bauvorhaben Markus, gegen den Vertrag im Zusammenhang mit dem Stadtkloster Frieden und noch gegen einen weiteren Kredit. Das Regierungsstatthalteramt hat die Beschwerden abgewiesen. Gemäss Christ haben die Einsprechenden allerdings die beiden Beschwerden gegen das Bauvorhaben Markus und den Vertrag mit dem Stadtkloster vor Verwaltungsgericht weitergezogen. Bis zu einem Entscheid kann es noch lange dauern.
Gelder zweckdienlich verwenden
Christ stört sich nicht an den beiden Projekten per se, sondern dass die Kirche Steuergeld für Dinge verwende, die nicht dem kirchlichen Zweck entsprächen, wie er gegenüber dem Anzeiger Region Bern ausführt. «Eine Kirche soll die Steuergelder wie vorgesehen für den Betrieb der Kirchen verwenden, nicht um Restaurants, Eventhallen oder Wohngemeinschaften zu finanzieren.»
Seine KG Paulus sei von den Plänen zudem wegen der hohen Kosten tangiert. «Die GKG verwaltet die Steuergelder aller Stadtberner Kirchgemeinden. Wenn man für Projekte einzelner Kirchgemeinden so viel Geld ausgibt, bleibt fast nichts mehr für alle anderen. Das ist im Sinne der Gleichbehandlung problematisch», so Christ. Bei der GKG zeigt man sich ob der Beschwerde erbost. «Es ist eine furchtbare Sache», sagt etwa Mario Marti, der im Kleinen Kirchenrat der GKG für die Liegenschaftsstrategie 2025 zuständig ist. So habe die Beschwerde zu einem Planungsstopp geführt. Die ganze Planungsorganisation habe heruntergefahren werden müssen, nur um sie zu einem späteren Zeitpunkt wieder zu reaktivieren. Auch hätten Unternehmen bereits Offerten eingereicht, die durch die Verzögerung hinfällig werden könnten. «Dem Beschwerdeführer geht es nur darum, die GKG zu stören.»
Konfliktreiche Zeiten
Das Beispiel zeigt: Der Kirche stehen konfliktreiche Zeiten bevor. Im Kern geht es um die Frage, wie die Kirche mit ihren Immobilien umgehen soll, die sie nicht mehr benötigt – wie dereinst mit Kirche und Kirchgemeindehaus Johannes. Vorgesehen ist eigentlich, dass diese Immobilien an das kircheneigene Unternehmen RefBernImmo gehen, welches für die Entwicklung und Veräusserung, beziehungsweise für die Abgabe im Baurecht, zuständig ist. Laut Eignerstrategie hat dies nach wirtschaftlichen Kriterien zu geschehen. Bereits werden aber Stimmen laut, die fordern, eher moralische als wirtschaftliche Kriterien anzuwenden. Bruno Banholzer, Geschäftsführer der RefBernImmo, gibt zu bedenken, dass ein Verzicht auf marktübliche Konditionen einer Subvention gleichkäme, die vom Kirchenparlament abgesegnet werden müsste. «Auch im Gemeindegesetz ist festgehalten, dass wirtschaftliche Kriterien anzuwenden sind.»
Zone für öffentliche Nutzung
Allerdings bedeutet das nicht, dass die Liegenschaften automatisch an die Meistbietenden gehen. So liegen viele Liegenschaften der Kirche – so auch Kirche und Kirchgemeindehaus Johannes – in einer Zone für öffentliche Nutzungen (ZöN). «In dieser Zone können nicht einfach Eigentumswohnungen erstellt werden», so Banholzer. In erster Priorität sollen solche Gebäude weiterhin der öffentlichen Nutzung dienen – was die Stadt als Abnehmerin in eine gute Position bringt. Doch auch kirchliche Gruppierungen oder, als dritte Priorität, soziale Organisationen kämen als Abnehmerinnen infrage.
Jürg Liechti geht das zu wenig weit. Der ehemalige Pfarrer der Johannes- Kirche setzt sich dafür ein, dass der Verein «Haus der Bewegungen» das Kirchgemeindehaus Johannes übernehmen kann. Doch auch Projekten wie dem Stadtkloster steht er sehr positiv gegenüber. «Die Kirche müsste Freude haben, dass solche Projekte entstehen», sagt er. Diese Gruppierungen setzten sich für genau das ein, wofür sich die Kirche auch einsetzen sollte. «Es geht um Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung, wie es in der kirchlichen Terminologie heisst.»