Improwoche

Theaterspielen ohne Auswendiglernen

Jugendliche ab der 7. Klasse erwerben in einem viertägigen Workshop mit Pfarrer Martin Ferrazzini und der freien Theaterschaffenden und Theaterpädagogin Debo Wyss erste Kenntnisse im Improvisieren auf der Bühne. Zum Abschluss präsentieren sie ihre neu erworbenen Fähigkeiten vor Publikum.

Karin Meier
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Improtheater lebt von Spontanität, Spielfreude und der Lust am Experimentieren. (Bild: Lorenz Jost)

Improtheater (kurz für Improvisationstheater) folgt nicht festgelegten Stücken oder Rollen, sondern entsteht spontan aus dem Moment heraus – und immer mit Inputs aus dem Publikum. Was nach einer unberechenbaren Situation klingt, ist es nicht, versichern Martin Ferrazzini und Debo Wyss. Der Pfarrer und die freie Theaterschaffende und Theaterpädagogin organisieren zum dritten Mal einen Workshop für Jugendliche ab der 7. Klasse. Die beiden kennen etliche Kniffe und Techniken, die beim Spielen ad hoc hilfreich sind. Da ist zum Beispiel die Grundhaltung: Man sagt immer: «Ja!», nimmt den Vorschlag auf und macht etwas damit. Weiter sei beim Improtheater wichtig, möglichst rasch die Situation zu klären: Ist man beispielsweise am Strand und hat einen Konflikt mit dem Badegast nebenan, oder repariert man gerade ein Auto. Zudem können beim Improtheater Spielregeln eingeführt werden. Zum Beispiel darf man nur Sätze mit einer bestimmten Anzahl Wörter sagen oder alle sprechen für eine je andere Person auf der Bühne, die dabei ihre Lippen mitbewegen muss.

«Der Spass steht zuoberst»

Vorkenntnisse für den Workshop seien keine notwendig, betonen Martin Ferrazzini und Debo Wyss. «Dafür ist es wichtig, dass man experimentieren möchte und in Kauf nimmt, dass die Geschichte auch einmal nicht mehr weitergeht», sagt Debo Wyss. Das Scheitern gehört quasi dazu, ebenso die Erfahrung, dass einem jemand auf der Bühne weiterhilft, wenn man mal einen Hänger hat. «Der Spass steht zuoberst», sagt Martin Ferrazzini. Am Mittwochabend schauen die Teilnehmenden erfahreneren Schauspielenden bei einer Improtheater-Aufführung zu. Am Donnerstag stehen sie selbst auf der Bühne, während Debo Wyss und Martin Ferrazzini moderieren.

3 Fragen an Martin Ferrazzini und Debo Wyss

Wie sind Sie zum Improtheater gekommen?
Martin Ferrazzini: Ich habe jahrelang an der Bar im Gaskessel gearbeitet und konnte regelmässig die Shows von TAP Bern mitverfolgen. Daraus entstand eine grosse Faszination für Improtheater. Bei einem Kollegen von Debo nahm ich sogar Kurse. Danach liess ich das Improtheater für eine Weile ruhen. 2019 bis 2020 belegte ich erneut Kurse. Damals wohnte ich mit meiner Familie im Umland von Washington DC, wo Improtheater sehr verbreitet ist.
Debo Wyss: Ich habe im Jahr 2000 meine Theaterausbildung abgeschlossen. Daraufhin zog ich nach Bern und besuchte einen Workshop von TAP Bern. Als sie neue Mitspielende suchten, bewarb ich mich. Daraus wurde ein langes Abenteuer im Improtheater. Während der Mutterschaft unterbrach ich es für eine Weile, um mich auf ein anderes Theaterprojekt zu konzentrieren. Seit 2012 bin ich zurück bei TAP Bern. Ich mache das Booking, spiele in einer bis zu sechs Shows pro Woche und gebe Workshops.

Wie viel Mut braucht es dafür?
Debo Wyss: Weniger, als man denkt. Denn man tritt im Wissen auf, dass man nicht allein auf der Bühne steht und die anderen ebenfalls Ideen einbringen und einen mittragen. Man braucht sich wirklich keine Sorgen zu machen.
Martin Ferrazzini: Es braucht schon Mut, aber wirklich weniger, als man meint. Zu improvisieren, ist etwas Urmenschliches. Das habe ich als Vater neu entdeckt. Als meine Kinder klein waren, konnten sie dank ihrer Fantasie einen Nachmittag lang mit einem Ast spielen. Kinder bringen die Offenheit mit, sich auf eine Situation einzulassen. So gelingt es ihnen, aus wenig viel zu machen. Aus meiner Sicht wurden wir als kreative Wesen erschaffen. Im Workshop knüpfen wir an diese spielerische Offenheit an.

Was empfehlen Sie Menschen, die dies noch nie gemacht haben?
Martin Ferrazzini: Sie sollen sich einfach für den Workshop anmelden! Jetzt haben sie die Gelegenheit, sich auf diese Art des Theaterspiels einzulassen. Wenn die Geschichten, die wir improvisieren, leben, entsteht etwas Magisches. Die Möglichkeit, dies selbst zu erfahren, sollte man nutzen. Es macht umso mehr Spass, wenn man Teil der Geschichten ist und nicht «nur» im Publikum sitzt und zuschaut.
Debo Wyss: Probiert das Improtheater einfach mal aus! Es macht Spass! Man braucht keine Angst zu haben, Fehler zu machen. Denn Fehler können Geschenke sein, die man im Wissen offenlegen kann, dass das Publikum tolerant ist. So wohnt selbst dem «Scheitern» etwas Schönes inne.

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Martin Ferrazzini und Debo Wyss leiten den Workshop. (Bild: Karin Meier)

INFO

Auf einen Blick

  • 7.–10. Oktober (3. Herbstferienwoche)
  • Kirchgemeindehaus Johannes, Bern
  • Kosten: 50 Franken (Mittagessen inbegriffen)
  • Öffentliche Show von TAP Bern: Mittwoch, 9. Oktober, 19 Uhr
    Eintritt: 10 Franken für Erwachsene, 5 Franken für Kinder und Jugendliche
  • Öffentliche Show der Teilnehmenden: Donnerstag, 10. Oktober, 19 Uhr
    Eintritt frei, Kollekte.
  • Infos und Anmeldung: martin.ferrazzini@refbern.ch, 031 302 71 67, kirchen-nordquartier-bern.ch

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