Immer wieder sonntags zum Brunchgenuss
Dank dem Anfang Juli eröffneten Brunchrestaurant «Becanto» kehrt die Frühstückstradition an die Rütlistrasse zurück. Auf Züpfe und Müesli folgen Eggs Benedict, Pancakes und Toasts.
Brunchlokale leben vom Wochenendgefühl, was auch ihre Beliebtheit und emotionale Überhöhung erklärt. Nie hat man mehr Zeit, um sitzen zu bleiben und derart viel zu essen, dass der Hunger erst am Abend wiederkommt, als am Samstag- und Sonntagmorgen. Das verlängerte Frühstück hat auch an der Rütlistrasse vis-à-vis der Kaserne Tradition. Zuletzt lief das altbewährte Tea-Room zwischen 2003 und 2022 mit der dazugehörigen Bäckerei und Confiserie unter dem Namen «La Praliné». Nach einem kurzen Intermezzo mit dem Spezialitätenladen «Simplyfine» zieht das Haus als «Becanto » nun wieder Genussmenschen und Leute an, die den Grosseinkauf am Freitagabend verpassten. Neu ist der Name «Becanto» mit dieser Ausrichtung nicht. 2018 eröffnete der damals 22-jährige Michael Tinner an der Bethlehemstrasse sein erstes solches Lokal. Und bereits davor handelte er vom Café Tscharni aus mit lieferbaren Frühstücksboxen. Jetzt ist er seit Anfang Juli – auch aus Platzgründen – im Nordquartier heimisch geworden. Und wir waren gleich am ersten Wochenende zur Stelle.
Es war einmal in Amerika
Was für viele Brunchfans zwingend zum Reiz dieser Essensart gehört, ist das überladene Buffet, auf dem jeder Gast nach Lust und Laune und zum Schrecken des übrigen Publikums mit seiner Gabel herumstochert. Wir hingegen schätzen es, wenn wir von der Karte bestellen dürfen und die Speisen den Weg direkt an unseren Tisch finden. Wer sich noch an das Angebot im «La Praliné» erinnert, muss sich zuerst von solchen Vorstellungen und dem legendären Rahm- Birchermüesli lösen. Ein wichtiger Bestandteil in jedem Brunch-Angebot sind die Eierspeisen. Die angelsächsische Kreation «Eggs Benedict » läuft dem einheimischen Klassiker «Spiegelei mit Rösti» auch im «Becanto» den Rang ab. Wobei die Schweizer auch bei der Erfindung dieses US-Gerichtes eine Rolle spielen. Der berühmte Chefkoch Charles Ranhofer soll es 1894 im noch berühmteren New Yorker Restaurant «Delmonico’s» eigens für das verwöhnte Ehepaar LeGrand Benedict entwickelt haben. Gegründet wurde das noch heute bestehende Haus 1837 von den aus der Leventina eingewanderten Delmonico-Brüdern, die Ranhofer einstellten. Auch das Hotel «Waldorf Astoria» reklamiert die Erfindung übrigens für sich und führt einen verkaterten Börsenmakler namens Lemuel Benedict und seine extravaganten Wünsche ins Feld. Doch die Variante «Delmonico’s» erscheint uns plausibler.
Auch für Vegetarier und Veganer
Item, das Stammrezept von «Eggs Benedict » ist variantenreich. Mit sautiertem Spinat wird es zu «Eggs Florentine », mit Artischockenböden zu «Eggs Sardou», mit Forelle oder Lachs zu «Eggs Royale». Im «Becanto» wählen wir die Version «Eggs Benedict Läxu», mit veganem Bio-Lachs auf Rüebli-Basis von der Uetendorfer Firma Wild Foods. Und wenn wir schon bei den Lieferanten sind: Fideco aus Murten liefert Lachs und Bacon, Outlawz Food das vegane Trockenfleisch. Gemüse, Salate und Sprossen kommen aus Ried bei Kerzers, die Milch aus Illiswil und Worb. Der Kaffee wurde von Blaser geröstet, der Tee in der Länggasse umgeschlagen. Nur bei den Backwaren, die zum Teil aus einer Grossbäckerei stammen, von der wir den Namen immer wieder vergessen, sehen wir als ehemaliger Ausläufer eines Familienbetriebes Handlungsbedarf. Doch die Eier mit dem Rüebli-Lachs geniessen wir sehr. Und unsere Begleiterin delektiert sich an einem grosszügig bemessenen Avocado-Toast mit Tomaten- Auflage und ist sichtlich erfreut über das Dargebotene. Die Pancakes überlassen wir mangels weiterer Aufnahmefähigkeit den Kindern am Nachbartisch.
Brunch auch unter der Woche
Innenarchitektonisch wurde dem in die Jahre gekommenen Tea-Room mit wenigen Kniffen und Pflanzen neues Leben eingehaucht. Das Personal ist jung, die Stimmung heiter. Puristen würden sich nebst den «Reportagen » vielleicht noch mehr News-Lektüre wünschen. Immerhin haben drei Schweizer Grossverlage immer noch Sonntagsausgaben im Angebot, die es im «La Praliné» jeweils auch zu kaufen gab. Nebst den 40 Innenplätzen ist bei gutem Wetter zusätzlich die einladende Terrasse mit 30 Plätzen in Betrieb. Die Buchhalter unter Ihnen kommen nun vielleicht ins Grübeln, ob sich ein Wochenendbetrieb wirklich rentiert. Doch mit den veränderten Arbeitsgewohnheiten hat sich das Wochenende längst ausgedehnt. Dem trägt das «Becanto» Rechnung, öffnet bereits am Mittwoch und Brunch gibt es auch unter der Woche. Das Lokal an der Rütlistrasse soll übrigens schon bald Zuwachs erhalten. Michael Tinner will Anfang 2025 in die Länggasse expandieren, ins neue Gebäude für Rechtsmedizin der Uni Bern an der Murtenstrasse.
INFO
- Küche: Internationale Frühstücks-Klassiker
- Service: Unkompliziert und speditiv
- Ambiente: Entrümpelt, entlüftet, begrünt
- Preise: Angesichts der Portionengrössen angemessen
- Adresse: Rütlistrasse 2, 3014 Bern
- Telefonische Reservation: 031 525 33 33
- Öffnungszeiten: Mittwoch bis Sonntag, 8.30 bis 18 Uhr