National-Circus Knie und Bern

Alte Liebe rostet nicht

Noch bis zum 18. August gastiert der Circus Knie wieder im Nordquartier. Bern ist für das traditionsreiche Familienunternehmen eine echte Herzensangelegenheit – und dies seit 1919.

Jean-Claude Galli, Bilder: KNIE/zVg & © SRF
Circus Knie
Bis zum 18. August heisst der Circus Knie auf seiner Tournee 2024 das Berner Publikum noch herzlich willkommen. (Bild: cae)

Für die Zirkus-Familie Knie ist Bern unter den 23 Spielorten ein ganz besonderer. Am 14. Juni 1919 feierten die Brüder Friedrich, Rudolf, Karl und Eugen Knie aus der vierten Generation auf der Schützenmatte die langersehnte Premiere unter einem Dach. Eigentlicher Begründer der Zirkus-Dynastie war der 1784 in Erfurt geborene Friedrich Knie, Sohn des Leibarztes der österreichischen Kaiserin Maria Theresia. Er verliebte sich in eine Kunstreiterin, brach sein Medizinstudium ab und gründete 1806 ein Seiltanzunternehmen. Ab 1814 traten die Knies regelmässig auch in der Schweiz auf. Der Betrieb der ungedeckten Arena war sehr wetterabhängig. Zudem musste das Eintrittsgeld kollektenartig mit Blechtellern eingesammelt werden. Um 1900 wanderte die dritte mit der vierten Generation in die Schweiz ein. Nach dem Ersten Weltkrieg verwirklichte das erwähnte Brüder-Quartett den langgehegten Wunsch eines mobilen Spielzeltes. Ihre Mutter Marie titulierte das Projekt zwar als «modernen Schnickschnack» und «grössenwahnsinnig » und wollte ihnen partout keinen Kredit geben. Die Brüder kauften es schliesslich auf Pump. Die Basis zum wohl bekanntesten Unterhaltungsunternehmen des Landes war gelegt.

Circus Knie
Mona Petri als Margrit Lippuner-Knie (links) und Anna Schinz als ihre Schwägerin Sophie Griesser im SRF-Film «Dynastie Knie». Die Szene zeigt die Frauen im Kassenhaus bei der Zeltpremiere 1919. Quelle:© SRF
Circus Knie
1917 lernten sich Margrit Lippuner (Mona Petri) und Friedrich Knie (Simon Käser) am Rande einer Knie-Vorstellung kennen. Ausschnitt aus dem SRF-Film «Dynastie Knie». Quelle:© SRF

Das allererste Chapiteau stammte von der Firma Geiser in Hasle- Rüegsau und fasste gegen 2500 Personen. Schon sein blosser Anblick auf der Schützenmatte war eine Attraktion, die viele Schaulustige anzog. Vor der ersten Vorstellung spielten sich tumultähnliche Szenen ab. Die in der Schlange wartende, grosse Zuschauermenge drohte das hölzerne Kassenhaus einzudrücken, worauf Margrit Lippuner, die Ehefrau von Friedrich Knie, und ihre Schwägerin Sophie Griesser mit der Kasse flüchten mussten. Der Andrang hielt auch in den anderen Städten an. 1920 führte Friedrich Knie erstmals Pferde in der Manege vor. 1926 war der Circus Knie schon mit über 80 eigenen Wohn-, Transport-, Menagerie- und Bürowagen unterwegs. Schliesslich liessen die Brüder den Namen «National- Circus» schützen. Einen guten Überblick über die Knie-Geschichte inklusive nachgestellter Kassenhaus- Szene bietet die 180-minütige SRF-Dokufiktion «Dynastie Knie», die anlässlich des 100-Jahr-Jubiläums 2019 entstand und aktuell auf Play Suisse zu sehen ist.

Von der Schützenmatte ins Nordquartier

Auch nach 1919 kam der Circus Knie wie andere Zirkusunternehmen jedes Jahr auf die Schützenmatte, die von den Behörden für solche Zwecke auch aufgrund der Bahnhofsnähe als ideal taxiert worden war. Erst in den 1950er-Jahren, als der zunehmende Strassenverkehr den Platz einschränkte und weil der Wagenpark zunehmend grösser wurde, drängte sich ein Umzug zur Vorderen Allmend auf, wo die Stadtregierung die Grossanlässe zentralisieren wollte. Ab 2000 musste der Knie wegen der neuen Ausstellungshalle hinter der Festhalle ausweichen, wo er noch heute steht. Im Vergleich zu anderen Städten ist dieser Standort keineswegs zentral, doch als solcher bekannt und mit Tram und Auto gut erreichbar.

Circus Knie
Die erste Knie-Vorstellung unter einem Dach fand am 14. Juni 1919 auf der Berner Schützenmatte statt. Links die 1897 erbaute Reitschule.
Circus Knie
Das zweimastige Knie-Zelt von 1919 stammte von der Firma Geiser in Hasle-Rüegsau und bot rund 2500 Personen Platz.

Wichtig für den Erfolg eines Zirkus- Unternehmens ist immer auch die Werbung. Jahrzehntelang gehörte zum Knie-Gastspiel in Bern das Elefantenapéro, organisiert vom Warenhaus Loeb. In einer Reihe, begleitet von Artisten und Musikern, schritten die Elefanten über die Papiermühlestrasse und den Aargauerstalden hinunter am Bärengraben vorbei in die Altstadt und zum Bundesplatz. In der abgesperrten Gurtengasse auf der Loeb-Rückseite fand dann jeweils das Apéro statt, bei dem die Kinder die Tiere mit Bananen und Gemüse füttern durften. Nach einer halben Stunde Rast ging es zurück Richtung Allmend, diesmal über die Kornhausbrücke und den Viktoriaplatz. Verkehrsbehinderungen waren programmiert, wurden in diesem Fall aber eher wohlwollend aufgenommen. 2015 entschied sich die Familie Knie, nach Ende der Saison auf Elefanten in der Manege zu verzichten. Und mittlerweile sind neue Werbeformen und -kanäle wie die Social-Media-Plattformen gängig.

Das Klee-Bild und die Geburt in Bern

Die Liebe der Familie Knie zur Region Bern begründet sich nicht nur aus den Anfängen um 1919. Als der 1946 geborene Fredy Knie jun. und sein drei Jahre jüngerer Bruder Rolf aus der sechsten Generation klein waren, gab es keine Zirkus- Schule, und die Eltern gaben sie in die Obhut des mit ihnen befreundeten Ehepaars Bürgi in Belp. Die international bekannte Sammlung der Bürgis im 1740 erbauten Schlösschen umfasste viele Werke von Paul Klee. Im Schlafzimmer der Buben hing das bekannte Gemälde «Waldvogel», das Rolf einmal mit einem Fussball von der Wand holte. Frau Bürgi soll nicht sehr «amused» gewesen sein.

In den 1950er-Jahren besuchten die Knie-Brüder die örtliche Schule. Bei schlechtem Wetter wollten die Bürgis jeweils nicht ausreiten und die Buben sollten die Pferde bewegen, was vor allem Fredy jun. gefiel. Die schönste Zeit seien aber doch die Ferien gewesen, wenn die Buben zu ihren Eltern in den Zirkus durften. Ihr Vater Fredy sen. hatte 1945 die populäre Pierrette Dubois geheiratet, 17-fache Schweizer Meisterin im Tennis und Meisterin im Eispaarlauf, die dem Zirkus zusätzlichen Glanz verlieh. Pierrettes Vater Paul hatte 1907 den Tennisclub Dählhölzli gegründet.

Géraldine Knie, die heutige künstlerische Direktorin aus der siebten Generation und Tochter von Fredy Knie jun., kann sich noch gut an ihre 2013 verstorbene Grossmutter erinnern. «Daran knüpfe ich sehr viele schöne Kindheitserinnerungen», sagt sie gegenüber dem Anzeiger für das Nordquartier. Sichtlich bewegt spricht sie von «unserem Bern». Ihre Verbindung zur Bundesstadt geht jedoch über ihre Grossmutter hinaus. «Da wäre einmal meine Beziehung zu Bern als Mutter. Mein Jüngster – Maycol junior – kam am 4. November 2017 in Bern zur Welt, vier Wochen vor dem errechneten Geburtstermin. Doch ich war sehr gut aufgehoben und betreut hier und denke gerne daran zurück», so Knie.

«Wir sind verwöhnt hier»

Für sie stimmen hier auch die Rahmenbedingungen. «Bern ist die Hauptstadt unseres Landes, und wir fühlen uns immer sehr willkommen. Wir haben ein ausgezeichnetes Verhältnis mit den Behörden, und der Stadtpräsident spricht an der Premiere jeweils ein Grusswort. Es geht uns sehr gut in Bern, und wir sind verwöhnt. Der Platz auf der Allmend ist gut gelegen und für unsere Bedürfnisse bestens geeignet. Das Zelt steht auf dem Asphalt, die Wohnwagen sind ganz in der Nähe. Und die Pferde können wir auf der Wiese halten. Auch meine Tochter Chanel freut sich schon sehr und hat die Liebe zu Bern übernommen. Manchmal reite ich mit ihr in den Wäldern aus und galoppiere auf den Weiden. Und unsere Crew und die Artisten spielen zusammen Fussball.»

Das Berner Publikum, das oft als eher zurückhaltend beschrieben wird, nimmt sie anders wahr. «Im Gegenteil, es ist kolossal, sehr spontan und offen. Wir zeigen unsere Emotionen und bekommen sie doppelt zurück. Nun sind wir gespannt, wie die Bernerinnen und Berner die neue Show aufnehmen und auf Pegasus reagieren. Für die Bieler Band ist Bern ja fast ein Heimspiel. Ich bin ein grosser Fan von ihnen. Und seit ich die Jungs persönlich kenne, mag ich sie noch lieber. Sie sind bodenständig, unkompliziert und haben keine Starallüren. Sie kommen auch in der ganzen Zirkusfamilie gut an, in der ja Dutzende von Nationalitäten versammelt sind. Ich nenne Pegasus immer meine Schweizer Beatles. Bern ist ein Geben und ein Nehmen. Und wir sind schon jetzt traurig, wenn der 18. August vorbei ist und wir wieder gehen müssen.»

Circus Knie
Géraldine Knie leitet den Zirkus seit 2019 als künstlerische Direktorin.
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Auch Tochter Chanel hat die Liebe zu Bern übernommen.
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Die Bieler Band Pegasus als Tournee-Attraktion 2024.

Tatsächlich sind auch Pegasus heiss auf Bern. Leadsänger Noah Veraguth sagt: «Letztes Jahr durften wir hier das allerletzte Konzert in der alten Festhalle vor dem Abriss geben. Nun freuen wir uns riesig, mit dem Knie zurückzukehren», erzählt er dem Anzeiger für das Nordquartier. «Der Knie ist Schweizer Kulturgut und ein Teil unserer Kindheit. Der Geruch von Popcorn, Sägemehl und diese aufregende Stimmung sind bis heute gleich geblieben.» Die Popband band tritt ausser am 17. August in jeder Abendvorstellung auf. «Die Herausforderung war, unsere Show mit der Zirkuswelt zu kombinieren und dabei den perfekten Sound im Zelt zu schaffen.» Das Quartett wohnt im Wagen Nummer 73. «Es sieht darin aus wie in einer typischen WG. Manchmal müssen wir uns etwas zusammennehmen, damit es nicht überbordet», so Veraguth.

Zirkuswetter und magische Geschichten

Der National-Circus Knie ist heuer seit dem 15. März unterwegs. Mit der Tournee 2024 ist Géraldine Knie bisher sehr zufrieden. Auch das wechselhafte Wetter bis Ende Juni konnte die Stimmung nicht trüben. «Wir nennen es Zirkuswetter», sagt sie lachend. «Klar, die Unwetter und Überschwemmungen machen natürlich auch uns Sorgen und Angst. Und dass das Wetter offenbar immer vom einen Extrem ins andere kippt. Es scheint keinen normalen Mittelweg mehr zu geben. Aber ja, bei uns im Zelt sitzt man im Trockenen, wenn es regnet. Und wenn es draussen heiss ist, sorgen die unter den Stühlen montierten Ventilatoren für Abkühlung.»

Angesprochen auf die Attraktionen dieser Tournee sagt sie: «Dank der Treue unseres Publikums können wir uns stetig weiterentwickeln.» Ein besonderes Highlight 2024 ist sicher «Der Grosse Coperlin» alias Dustin Nicolodi, der auf furiose Weise Comedy und Magie vereint. Er war, ähnlich wie die Mitglieder der Familie Knie, von klein auf für den Zirkus bestimmt. Sein Vater Willer Nicolodi ist einer der weltbesten Bauchredner und debütierte mit zehn Jahren in der Manege, ebenfalls im Knie. Dort lernte er später auch seine Frau Béatrice Aschwanden, Miss Schweiz von 1975, kennen. Diese Love-Story gehört zu den unzähligen Anekdoten und Geschichten, die die Zirkuswelt so faszinierend und magisch machen und das Publikum immer wieder in Bann ziehen. In Bern seit mittlerweile 105 Jahren und mit der siebten und achten Generation der Familie Knie.


National-Circus Knie, Allmend Bern, noch bis zum 18. August

Abendvorstellungen ab 19.30 Uhr, am Wochenende diverse Spielzeiten. Ruhetag am Montag, 12. August. Nachmittagsvorstellung am Mittwoch, 14. August. Infos und Tickets unter www.knie.ch, Vorverkauf auch bei Ticketcorner und seinen Verkaufsstellen.


Circus Knie
Das neue Chapiteau wurde zum 100. Geburtstag 2019 in Betrieb genommen.
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Der Comedy-Zauberer Dustin Nicolodi alias «Der Grosse Coperlin» gehört zu den Programm-Highlights 2024. Seine Eltern lernten sich im Zirkus Knie kennen.
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Maycol Knie jun. ist der jüngste Spross der achten Generation und wurde 2017 in Bern geboren. Er gab sein Manegen-Debüt 2022.
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