Dieser Artikel wurde von der «Plattform J» zur Verfügung gestellt.

Preisverleihung

Berner Geigerin erhält hohe Auszeichnung aus Brienz

Bern hat seit 2008 mit «Les Passions de l’Âme» ein Orchester für Alte Musik, und das erfreut sich nach 16 Jahren grosser Beliebtheit. Nun wird die künstlerische Leiterin und Geigerin Meret Lüthi mit dem «Goldenen Bogen» der Schweizer Geigenbauschule Brienz geehrt. Die Plattform J hat sich mit der Bernerin unterhalten und festgestellt, dass ihr «feu sacré» nach wie vor brennt für das gemeinsame Hinhören.

Peter Wäch
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Meret Lüthi ist die künstlerische Leiterin des Berner Orchesters «Les Passions de l’Âme» und freut sich nun auf die Auszeichnung der Schweizer Geigenbauschule Brienz. (Fotos: Guillaume Perret)

Mit ungebremster Leidenschaft und grosser Risikobereitschaft transportiert «Les Passions de l’Âme» historische Schätze aus Barock und Klassik in unsere Gegenwart. Das Publikum kommt dabei seit nunmehr 16 Jahren in den Genuss von authentischer Strahlkraft und einer hohen Professionalität. Die Musiker und Musikerinnen dieses Berner Orchesters spielen in ganz Europa. Nun erhält Gründerin und Geigerin Meret Lüthi mit dem «Goldenen Bogen» eine würdige Auszeichnung der Stiftung Schweizer Geigenbauschule Brienz. Im Interview verspricht die Künstlerin auch weiterhin einprägsame Inhalte. Den Preis sieht sie auch als «Rückenwind für die Zukunft».

Sie spielen diesen Samstag wieder im Progr in Bern. Wie sehr gehören auch niederschwellige Angebote bei «Les Passion de l'Âme» ins Programm?
Meret Lüthi: Wir spielen in verschiedenen Räumen und sind gerne unterwegs. Wir dürfen auch sagen, dass uns das Stammpublikum, das wir inzwischen aufgebaut haben, praktisch überallhin folgt (lacht). Insofern gibt es eine gewisse Narrenfreiheit, was die Spielorte anbelangt. Man muss wissen: «Les Passion de l'Âme» stehen auch für einprägsame Inhalte.

Mit «Coloratissimo» widmen Sie sich sieben Gattungen von Georg Philipp Telemanns Kammermusik-Schaffen: Vom Solo bis zum Septett erklingt je ein Werk in anderer Instrumentenkombination. Kommen diese Kombinationen vom Orchester in Bern selbst oder gibt es hier Vorgaben?
Telemann war ein Komponist, der die Oberstimmen präzise vorgab, dafür aber beim Generalbass Raum liess. Dort, wo es also keine haargenaue Quellenangaben gibt, entsteht ein spannendes Feld zwischen Dogmatismus und Pragmatismus. Für mich als Musikerin ist ein solcher Mix genial, denn ich vertiefe mich sehr in die jeweilige Partitur, und gleichzeitig habe ich ein fundiertes Wissen zur Seite, an dem ich meine Entscheide abstützen kann. Es ist wie der Rand eines Schwimmbads, an dem ich mir wieder einen Schubs ins Wasser gebe – und mich freischwimmen kann.

Im Juli verleiht Ihnen die Stiftung Geigenbauschule Brienz den renommierten Preis «Der Goldene Bogen». Was bedeutet Ihnen diese Auszeichnung?
Ich habe mich sehr gefreut, als ich davon erfahren habe. Es ist eine grosse Ehre für mich, und der Preis motiviert mich extrem und bestärkt meinen Weg, den ich mit dem Orchester weiter beschreiten will. Ich kann versprechen, dass ich neugierig und offen bleibe, dieser «Goldene Bogen» ist jetzt sozusagen mein Rückenwind für die Zukunft.

Das Konzertprogramm «Space Odyssey» in der Michaelskirche in Meiringen umrahmt die Zeremonie der Preisverleihung: Die Reise beginnt im Chaos direkt nach dem Urknall mit Werken von Rebel, Bach, Telemann über Rameau bis hin zu Locatelli. Wann begann für Sie persönlich der «Urknall» der klassischen Musik?
In meiner Kindheit habe ich früh gespürt, wie sehr Musik im Innersten bewegt. So entstand mein Berufstraum «Musikerin». Meinen Wunsch, selbst Menschen zu bewegen und bewegt zu werden, kann ich heute mit meinem Orchester und unserem Publikum prima ausleben.

Musik als Botschafter?
Musik ist eine sehr gute Botschafterin, um Herzensangelegenheiten wie «lebenslängliche Neugierde» zu transportieren. Es ist mir wichtig, mit meiner Partitur per Du zu werden. Das versuche ich jetzt mit Telemanns Kammermusikwerken. Angesichts seiner unglaublich vielfältigen Biografie habe ich hier eine besonders grosse Ehrfurcht. So gesehen bin ich mit dem Komponisten immer noch per Sie (lacht).

Telemann wurde, erst recht für die damalige Zeit, mit 86 Jahren sehr alt und soll über 3600 Werke geschrieben haben.
Das stimmt. Georg PhilippTelemann war ein Vielschaffer, Vielschreiber, Unternehmer, Musikdirektor, Vater und hat sich lebenslang immer wieder verändert. Noch im hohen Alter hat er mit jungen Librettisten zusammengearbeitet. Er hatte ein gutes Gespür für Tradition sowie neue Strömungen, und man darf ihn auch als stilbildend bezeichnen. Telemann hat alle Gattungen bedient, Oper, Kantaten, Konzerte. Sein kammermusikalisches Werk ist das grösste und abwechslungsreichste, das von einem Komponisten des Barock überliefert bleibt.

Sie spielen dieses Jahr noch unter anderem in der Orangerie Elfenau in Bern, im Stadttheater Solothurn, auf Schloss Waldegg oder in der Nydeggkirche sowie in der Französischen Kirche in Bern. Gibt es Orte mit einer besonders magischen Akustik, und werden die Musikstücke jeweils extra dafür ausgesucht?
Das ist eine spannende Frage. Mir gefällt zum Beispiel der Schultheissensaal von 1794 in der Uni-Bibliothek, dort machen wir unser Format «Vom Salon in den Konzertsaal». Um 1800 war es nämlich so, dass oft zuerst eine bearbeitete Fassung einer Beethoven-Sinfonie im Salon zu hören war und nicht gleich das orchestrale Werk. Insofern gehen wir also den gleichen Weg wie damals: Zuerst präsentieren wir im passenden Ambiente die reduzierte Version und im Frühjahr das grossbesetzte Original.

«Les Passions de l'Âme» gibt es seit 2008, letztes Jahr feierten Sie Ihr 15-jähriges Bestehen. Wie gehen Sie die nächsten 15 Jahre mit «Alter Musik» an?
Ich kann die nächsten vier Jahre vorausblicken, denn bis 2028 dauert unser Beethoven-Zyklus, der dann mit der 9. Sinfonie abgeschlossen wird. Das ist ein schöner roter Faden und auch ein Kompass für die Programmation rundherum.

Sie unterrichten ja auch an der Hochschule der Künste in Bern.
Ich habe in der Zwischenzeit in meinem Orchester einige Alumne der HKB, das verjüngt das ganze Team . Es ist ganz einfach: Junge Musiker und Musikerinnen haben junge Fans. Mein Hauptanliegen ist aber, wie man die Leute vor der Familiengründung ins Konzert bringt und wie man sie zurückbringt, wenn die Kinder langsam aus dem Haus gehen. Am schönsten ist es natürlich, wenn Eltern mit ihren Kindern ins Konzert kommen, denn es ist ein so wunderbares Ritual, wenn sich Menschen zusammen dem Hörsinn verschreiben; ein Akt, den es wertzuschätzen und zu pflegen gilt.

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