Botanischer Garten

Eine Oase voller Überraschungen und voller Leben im Herzen der Stadt

Der Botanische Garten (BOGA) der Universität Bern entstand als Ausbildungsstätte zum Studium der Pflanzen und ist seit 1859 am heutigen Standort. Für Forschung, Wissenschaft und Naturschutz ist die Sammlung von rund 6000 lebenden Pflanzenarten bis heute unverändert wichtig. Mit Führungen, Ausstellungen und kulturellen Aktivitäten vermittelt der BOGA die Faszination für die Pflanzenwelt und ihre Bedeutung für den Menschen auch der Öffentlichkeit.

Text: Martin Jost. Bilder: Martin Jost, Adrian Moser und zVg BOGA.
AfdN 05/2024 – Botanischer Garten Bern
Eine Antilope weist den Weg: Eingang von der Lorrainebrücke in den BOGA. (Bild: Adrian Moser)

Die erste Überraschung rund um den Botanischen Garten ist die, dass er ein grosser Unbekannter ist, obschon die meisten Leute in Bern wissen, dass es ihn gibt. Wer sich jedoch schon nur ein klein wenig mit dem Wissens- und Kompetenzzentrum zwischen Lorrainebrücke, Altenbergrain und Aare befasst, stösst sehr schnell auf zusätzliche Überraschungen. Weitere folgen auf Schritt und Tritt, wenn man drin ist im Garten. Dort, wo die Bedeutung der pflanzlichen Vielfalt und damit ihre Rolle als Grundlage allen Lebens im Zentrum steht. «Tatsächlich ist es immer wieder überraschend», sagt Adrian Möhl, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Botanischen Garten, «dass so viele Leute den Garten nicht kennen. Umso schöner ist es jeweils, den Besuchenden ihre Überraschung anzusehen, dass sie direkt ab der lauten Lorrainebrücke in diese Oase eintauchen konnten.» Die Antilope oberhalb des Eingangs trage vielleicht auch noch dazu bei, dass viele Passanten etwas anderes erwarten als einen Botanischen Garten, findet Flavia Castelberg, Kommunikationsleiterin des Botanischen Gartens: «Ein Tier beim Eingang eines Botanischen Gartens kann schon verwirrend sein.» Ist etwas zwar nahe, aber eben doch nicht sehr präsent, kann man das als «Verkannte Verwandte» bezeichnen. So heisst die aktuelle Sonderausstellung im BOGA. Wilde Kusinen und vergessene Grosseltern spielen eine Rolle, gemeint sind wildwachsende Verwandte der vom Menschen genutzten Kulturpflanzen. Pflanzen also, die in Zeiten rückläufiger Artenvielfalt und dem Bestreben nach Ernährungssicherheit mehr Beachtung verdienen, da der Mensch aus ihnen seit jeher neue Kulturpflanzen züchtet oder bestehende verbessert.

Von Forschung bis Zaubergarten für Kinder

Die Forschung stand immer im Zentrum des Botanischen Gartens, auch bei den Vorläufern des heutigen Gartens an verschiedenen Standorten. Nebst dem Medizinunterricht standen wissenschaftliche Erkenntnisse für die Pharmazie im Vordergrund, heute bewegt sich die Forschung vor allem um die Biodiversität, um botanische Weiterbildung, Artenschutz und Öffentlichkeitsarbeit. Auf dem Areal befindet sich nebst den Arbeits- und Forschungsbereichen des BOGA auch das Institut für Pflanzenwissenschaften (IPS), das über einen Hörsaal verfügt. «Die Bedürfnisse der Universität sind im BOGA ein sehr wichtiger Bestandteil aller Tätigkeiten und Arbeiten hier», sagt Adrian Möhl, «die Erkenntnisse aus der Theorie werden für die Studierenden der Pflanzenwissenschaften im Garten sichtbar. Die Sensibilisierung für die Vielfalt der Pflanzen erhält eine ganz andere Bedeutung, als wenn sie nur im Hörsaal stattfindet.» Obschon am BOGA intensiv geforscht wird und zahlreiche Abschlussarbeiten von Studierenden der Uni Bern verfasst werden, ist er offen für alle schulischen Belange: «Für sämtliche Schulstufen des Kantons vom Kindergarten bis zu den Fachhochschulen», präzisiert Flavia Castelberg, «besteht die Möglichkeit, das Angebot des Botanischen Gartens kostenlos anzunehmen.» Dieses Angebot passe nicht nur in die Lehrpläne, die erreicht werden müssen, sondern sei auch eine Gelegenheit für die Universität, sich zu öffnen und zu präsentieren. So kann der BOGA beispielsweise zum Zaubergarten werden. Dann nämlich, wenn Kinder ab 6 Jahren auf Entdeckungsreise gehen, in einer Mischung aus Wissensvermittlung und unbeschwerten Aktivitäten.

Die Vorteile einer offenen Kultur

«Wir gehören zur Universität, sind jedoch ein Ort, an dem die Menschen den Forschungsobjekten – den Pflanzen – sehr nahe kommen können », betont die Kommunikationsleiterin die Wichtigkeit einer offenen Kultur im BOGA, «wir sind eine der Institutionen der Uni Bern, die das Publikum direkt ansprechen können, und das wollen wir auch nutzen.» Von einer sehr guten Ausgangslage spricht auch Adrian Möhl; zwar müsse ab und zu an das Bewusstsein eines Teils der Besuchenden appelliert werden, dass der BOGA nicht ein Ort ist, an dem jede Freizeitaktivität erlaubt ist. Trotzdem hat er keine Bedenken, dass sich Offenheit nach aussen und Wissenschaft ausschliessen: «Wir sind und bleiben ein wissenschaftlicher Garten», sagt er, «das unterscheidet uns von herkömmlichen Parks. Unsere wissenschaftliche Sammlung wird intensiv betreut und erweitert und leistet somit einen wichtigen Beitrag von der theoretischen Grundlage bis zum praktischen Naturschutz.» Ein Beispiel von sehr praktischem Naturschutz, so Flavia Castelberg, sei der Vorgang, wenn bedrohte Pflanzen im BOGA gehegt und gepflegt werden, sich vermehren und danach in ihrem natürlichen oder wiederhergestellten Lebensraum angepflanzt werden. Um den Artenschutz überhaupt praktizieren zu können, sind die Kenntnisse der Arten eine Voraussetzung, für die Studierenden der Botanik sind sie ohnehin essenziell und gemäss Adrian Möhl kennen die Gärtnerinnen und Gärtner im BOGA jedes Pflänzli dort. Das muss so sein, denn nebst der Vermittlung von Wissen wird in Zusammenarbeit mit nationalen und internationalen Institutionen an den Ursachen und Folgen des Biodiversitätsverlustes geforscht und dadurch die Artenförderung betrieben.

Kultur als Brücke zur Öffentlichkeit

So gesehen, sagt Adrian Möhl, handle es sich beim BOGA um eine Institution im Dienste der Öffentlichkeit, dazu erwähnt Flavia Castelberg den Leistungsauftrag: «Dieser ist in vier Schlagworten zusammengefasst: Vielfalt, Kultur, Wissenschaft und Vermittlung.» Insbesondere hebt sie die Bedeutung der Kultur hervor, die ein passendes Mittel sei, um Brücken zu schlagen zur Öffentlichkeit. Es sind Konzerte und Lesungen, auch Theateraufführungen und Kunstausstellungen, die das Verhältnis zwischen Mensch und Natur sichtbar machen und bereichern sollen. «Der Mensch und seine Haltung zur Natur, das ist unsere eigentliche Aufgabe. Der Mensch lebt inmitten von Pflanzen, er nutzt sie und er muss sie schützen.» Kulturelle Veranstaltungen können zu dieser Thematik viel beitragen, sagt Flavia Castelberg, stets jedoch mit dem Anspruch, dass ein Bezug zur Natur da sein muss. Was nicht schwerfalle, ergänzt Adrian Möhl, denn: «Das ist eine der genialen Eigenschaften der Botanik, dass sie so viele Bereiche des Lebens betrifft und deshalb mit vielen Disziplinen vernetzt ist; dadurch schaffen wir es immer wieder, Kulturschaffende mit neuen Themen in den Garten zu bringen.» Die Durchführung von Veranstaltungen kann für die Betreibenden des Botanischen Gartens jedoch auch ein Balanceakt sein. Denn der Garten soll sich einem breiten Publikum zuwenden, ohne sich zu einer Festwiese fern seiner ursprünglichen Aufgaben zu entwickeln. Klein, aber fein, sagt Flavia Castelberg, sollen die Veranstaltungen sein und so kommt es gar nicht ungelegen, dass die Beschaffenheit der Anlage und deren technische Möglichkeiten gar keine Grossveranstaltungen zulassen.

Entdecken, Wohlfühlen und Erholen

Hauptdarstellerinnen im BOGA bleiben also die Pflanzen, selbst wenn sie von Menschen dargestellt werden, die sich üblicherweise eine Bühne gewohnt sind. So wie im aktuellen theatralen Rundgang, dem Familienstück «dieWERsieTÄT». Dabei erzählen die Pflanzen den Besuchenden, weshalb die Artenvielfalt für die Existenz der Erde und damit für unser Leben unverzichtbar ist.

Klein aber fein

Dass in den Monaten Mai und Juni zusammen nur sieben Aufführungen geplant sind, passt zum Bekenntnis von klein, aber fein. Welche Art Kultur stattfindet, ergibt sich aus dem Jahresprogramm. «Das Motto des Jahresprogramms soll mit den Veranstaltungen bereichert werden », erläutert Flavia Castelberg die Richtlinie bei der Planung für passende Kulturprojekte. Wie immer die Auswahl der Veranstaltungen ausfalle, eine positive Herausforderung für beide Seiten sei es immer und Adrian Möhl freut sich besonders darüber, dass sich die Wissenschaft beratend einbringen kann. Das geschehe immer mit dem Respekt vor denjenigen, die den Anlass kreiert haben.

Eine Oase zum Sein…

Umgekehrt soll auch der Garten Respekt von allen Seiten geniessen, betont er: «Es ist ein Ort mit einer unendlich wertvollen Sammlung, dazu muss Sorge getragen werden.» Bisher sei es gut gelungen, sagt Flavia Castelberg, dem Publikum gewisse Grenzen aufzuzeigen, ohne dabei pedantisch zu erscheinen. Einzig die starke Zunahme der Badenden in der Aare, welche die Anlage als Liegewiese entdeckten, müsse man im Auge behalten. Das Angebot, so wie es ist, behagt den beiden; bisher habe sich alles gut vertragen und man könnte Gegensteuer geben, sollte sich etwas anderes abzeichnen. Der BOGA soll eine Oase zum Entdecken, Wohlfühlen und Erholen für alle sein und bleiben. «Wir wollen die aktuellen Herausforderungen wie beispielsweise den Biodiversitätsverlust ansprechen und bekanntmachen», sagt Flavia Castelberg, «in erster Linie wollen wir jedoch die Faszination, die Freude, das Bewusstsein und die Hoffnung für die Natur aufrechterhalten.» Dafür werde das Team des BOGA besorgt sein, versichert Adrian Möhl: «Es ist das beste Team, das man sich vorstellen kann. Enorm engagiert und mit einer riesigen Motivation.»


INFO

Sonderausstellung «Verkannte Verwandte»
Im Fokus steht eine Grupp von Pflanzen, die mehr Beachtung verdienen 25. Mai bis 6. Oktober 2024


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