Dieser Artikel wurde von der «Berner Zeitung» zur Verfügung gestellt.

Millionenprojekt der Young Boys

Bern profitiert vom YB-Campus Millionenprojekt der

Was genau ist geplant? Wer zahlt? Und wer muss weichen? Die drängendsten Fragen und Antworten zum 40-Millionen-Franken-Campus der Young Boys.

Quentin Schlapbach und Dominic Wuillemin
Geplante Standort des Fussballcampus Rörswil
Der geplante Standort des Fussballcampus Rörswil: Auf dem braunen Feld sollen dereinst die acht Fussballfelder entstehen. (Foto: Raphael Moser)

Zukunftsträchtig. Historisch. Ein Glücksmoment. Als die Young- Boys-Verantwortlichen Marcel Brülhart und Christoph Spycher am Dienstagvormittag gemeinsam mit Vertretern der Berner Politik ihr Grossprojekt vorstellten, wurde im Wankdorf mit grossen Worten nicht gespart.

Auf dem Gebiet Rörswil, sieben Autominuten östlich vom Stadion Wankdorf entfernt, soll ein regionaler Fussballcampus entstehen. Das gross angedachte Infrastrukturprojekt soll dereinst entscheidend dazu beitragen, das Problem der fehlenden Fussballplätze in der Region Bern zu lösen.

Wer profitiert vom Campus? Wann können die Garderoben bezogen werden? Und woher nimmt YB all die Millionen? Das sind die drängendsten Fragen und Antworten:

– Was ist geplant?

An der Medienkonferenz betonten die Verantwortlichen von YB und der lokalen Politik immer wieder, dass sich das Projekt erst in den Startlöchern befindet. Entsprechend rudimentär sind die Visualisierungen, die präsentiert wurden.

Klar ist, dass auf dem Gelände in Rörswil dereinst mindestens acht Fussballfelder stehen sollen. Sie bilden das Herzstück des Projekts und dienen verschiedenen YB-Teams, aber auch dem Breitensport als Trainingsmöglichkeit.

Weiter geplant sind auf dem Areal ein Stadion mit rund 2000 Plätzen, eine Dreifachsporthalle – sowie ein Neubau für die kantonale Beobachtungsstation Bolligen, wo Kinder und Jugendliche mit besonderem Förder- und Schutzbedarf betreut werden. Das Grundstück, auf dem die neue Infrastruktur entstehen soll, liegt auf der Gemeindegrenze zwischen Ostermundigen und Bolligen und gehört heute vollständig dem Kanton Bern.

– Wer trägt die Kosten?

In erster Linie die Young Boys. Sie wollen rund 40 Millionen Franken investieren. Sie haben in den vergangenen Jahren immer wieder Rückstellungen vorgenommen, um genau ein solches Projekt stemmen zu können. «Das erklärt auch, weshalb wir immer versucht haben, vernünftig zu wirtschaften», sagt YB-Chefstratege Christoph Spycher. Hat YB also zuweilen auf dem Transfermarkt eine günstigere Lösung angestrebt? Spycher antwortet: «Ja.»

Letzte Woche veröffentlichte die Swiss Football League die Finanzzahlen ihrer Clubs, demnach resultierte für YB im Geschäftsjahr 2023 ein Gewinn von 6,7 Millionen Franken. Ohne die Rückstellungen für ein Projekt wie den Fussballcampus wäre dieser deutlich höher ausgefallen. Allein mit der Teilnahme an der Champions League sowie Transfererlösen hat der Club im letzten Jahr rund 50 Millionen Franken generiert.

– Wie sieht der Zeitplan aus?

Abschluss der Bauarbeiten: 2027. Dieser Meilenstein ist den Unterlagen zu entnehmen, die der Verein den Medienschaffenden am Dienstag ausgehändigt hat. Dass dieser Zeitplan äusserst optimistisch ist, räumten die YB-Verantwortlichen aber sogleich ein. Selbst bei einem mehr oder weniger reibungslosen Planungsverfahren scheint eine Fertigstellung vor 2029 kaum realistisch zu sein.

In einem ersten Schritt muss das Projekt nun bis Ende Jahr konkretisiert werden. Danach wird es von den kantonalen Stellen – insbesondere dem Amt für Gemeinden und Raumordnung – vorgeprüft. Auch eine öffentliche Mitwirkung ist geplant. Frühestens Ende 2025 werden dann die Gemeinden Bolligen und Ostermundigen über das finale Projekt befinden müssen. Erst danach startet das Baubewilligungsverfahren, bei dem es aufgrund der zahlreichen Einsprachenmöglichkeiten noch zu Verzögerungen kommen könnte. Die eigentliche Realisierung des Campus soll schliesslich nur wenige Monate in Anspruch nehmen. Innerhalb eines Jahres soll die Infrastruktur gebaut werden.

– Wer profitiert?

Die Fussballinfrastruktur in Bern und den umliegenden Gemeinden ist heute völlig ausgelastet. Für Kinder und Jugendliche führen Vereine teils Wartelisten mit monatelangen Fristen, weil es schlicht zu wenig Trainingsmöglichkeiten im Raum Bern gibt. Acht neue Fussballplätze werden diese Platznot zwar nicht vollständig aus der Welt schaffen können, aber doch für eine erhebliche Entlastung sorgen.

Die grösste Profiteurin ist dabei ausgerechnet die Stadt Bern, die Investitionen in ihre eigene Fussballinfrastruktur seit Jahren vor sich her schiebt. Durch den Abzug des Platzhirsches YB gibt es für andere städtische Vereine mehr Raum und Möglichkeiten. Auch Vereine aus Bolligen oder Ostermundigen sollen die Plätze dereinst nutzen können. YB selbst kommt zwar zu einem verhältnismässig günstigen Preis an ein attraktives Grundstück – der Verein muss dem Kanton lediglich einen jährlichen Baurechtszins entrichten. Für die Baukosten der neuen Infrastruktur muss der Club jedoch vollständig selbst aufkommen. Dafür hat der Verein die vollständige Kontrolle über den Betrieb.

– Wer muss weichen?

Das Land gehört aktuell dem Kanton Bern, welcher mit YB einen Baurechtsvertrag abschliessen will. Bisher wurde das Grundstück landwirtschaftlich genutzt. Lange Zeit waren es die Angestellten der Universitären Psychiatrischen Dienste (UPD), welche das Grundstück beackerten. Seit die UPD dieses Metier aufgegeben haben, wird es von einer Bauernfamilie bewirtschaftet.

Theoretisch hätten die Behörden die Pachtverträge mit der Familie einfach nicht verlängern können. Baudirektor Christoph Neuhaus betonte jedoch, dass man eine einvernehmliche Lösung gesucht habe, die niemanden unnötig vor den Kopf stosse.

So konnte mit der Bauernfamilie eine Art Tauschgeschäft ausgehandelt werden. Sie gibt das Land auf und erhält umgekehrt in Witzwil ein Grundstück von ähnlichem Umfang und Ertragswert. Auch dieses Landwirtschaftsland gehört dem Kanton Bern und wurde bisher von den Häftlingen der angrenzenden Justizvollzugsanstalt bestellt.

– Welche Hürden gibt es?

Bevor gebaut werden kann, müssen die planungsrechtlichen Weichen gestellt werden. Und dieser Prozess gestaltet sich erfahrungsgemäss anspruchsvoll. In Ostermundigen muss das betroffene Landstück zum Beispiel zuerst umgezont werden. Auch müssen die Gemeinden Bolligen und Ostermundigen dem Projekt noch zustimmen.

Mit am meisten Sorgen müssen sich die YB-Verantwortlichen jedoch wegen Einsprachen beim Baubewilligungsverfahren machen. Der Campus soll unmittelbar zwischen die beiden Landsitze der kürzlich verstorbenen Kunstsammler Donald Hess und Eberhard W. Kornfeld zu stehen kommen.

Erste Gespräche mit deren Nachfahren sowie mit Besitzern von anderen angrenzenden Grundstücken haben bereits stattgefunden. Mögliche Knackpunkte beim Projekt – etwa die Verkehrsregelung oder die Nutzungszeiten – sind noch nicht konkret genug, um sie als «pièce de résistance» auszumachen.

– Was macht die Stadt Bern?

Wenn das Projekt wie geplant realisiert werden kann, ist die Stadt Bern die heimliche Profiteurin. Ihre Infrastruktur wird mit dem YB-Wegzug signifikant entlastet. Ganz aus dem Schneider ist die Stadt aber nicht. YB pocht weiterhin darauf, dass auf der Grossen Allmend Trainingsmöglichkeiten für seine Profimannschaft geschaffen werden. Erst dann wäre ein Wechsel von Kunst- auf Naturrasen im Stadion Wankdorf möglich.

Weil solch ein Projekt auf der Allmend deutlich weniger Raum beanspruchen würde als etwa ein ganzer Fussballcampus, hat Berns Stadtpräsident Alec von Graffenried bereits eine Absichtserklärung abgegeben, diese Trainingsmöglichkeiten zu schaffen. Als Voraussetzung nennt die Stadt die weitgehende Aufhebung der oberirdischen Parkplätze auf der Allmend.

Ob Parlament und Stimmbevölkerung den Versprechungen ihres Stadtpräsidenten Folge leisten werden, ist allerdings offen. Beim letztmaligen Anlauf war der Stadtrat dagegen, exklusive Plätze für YB auf der Grossen Allmend zu prüfen.


Kommentar

Der Freudentag hat für die Young Boys einen grossen Haken

 

Auf den ersten Blick? Ist alles gut. Beachtliche 40 Millionen Franken wollen die Young Boys in den Fussballcampus auf dem Rörswil investieren. Verläuft alles nach Plan, wird ihre Nachwuchs- sowie Frauenabteilung wohl frühestens ab 2029 auf der Gemeindegrenze Bolligen/Ostermundigen trainieren. Das Problem der fehlenden Fussballfelder in der Region wird damit teilweise behoben, weil YB-Teams aus der Stadt abziehen. Es ist ein Problem, das vor allem den Breitensport betrifft.

Und damit ist man beim Haken, der für die Young Boys weiterhin besteht. Unter den 100 besten Clubs in Europa sind sie der einzige, der auf Kunstrasen spielt. Selbst die nationale Konkurrenz ist dem Branchenprimus in Sachen Trainingsinfrastruktur enteilt. Das wird vorerst so bleiben.

Nach wie vor wollen die Young Boys Trainingsfelder gleich vis-à-vis auf der Allmend errichten. Der Standort hätte den Vorteil, dass das Wankdorf weiterhin die YB-Basis für den Spitzensport bleiben würde. Im Stadion stehen Büros, Garderoben, Material- und Krafträume. Zudem könnte dann endlich der Kunstrasen im Wankdorf durch eine natürliche Unterlage ersetzt werden. Dann wären auch wieder Länderspiele in der Hauptstadt möglich.

YB erhoffte sich in dieser Sache einen Durchbruch dank der Frauen-EM, die im Sommer 2025 unter anderem in Bern stattfindet. Es blieb bei der Hoffnung. Fürs Turnier wird im Wankdorf zwar ein Naturrasen verlegt und es sollen Trainingsmöglichkeiten auf der Allmend geschaffen werden, aber nur temporär. Und selbst gegen dieses Provisorium ist eine Einsprache eingegangen.

Das allein zeigt, wie verzwickt die Lage ist. Daran ändert auch das sinnvolle Projekt auf der Allmend nichts, das längst bereitstehen würde. Dank Parkhäusern soll die oberirdische Parkierung aufgehoben werden, das würde den Platz für die Trainingsfelder schaffen. Die Allgemeinheit wäre auf der Allmend nicht betroffen. Winwin? Könnte man meinen.

Einsprachen verzögern schon lange das Stadionprojekt auf dem Hardturm in Zürich, sie hindern auch den FC Aarau seit Jahrzehnten daran, eine neue Arena zu bauen. Gegen Einsprachen sind die Clubs machtlos. Selbst wenn sie so gross und reich wie die Young Boys sind. Mit den 40 Millionen Franken für den Fussballcampus lösen die Young Boys für Bern das Problem der fehlenden Plätze. Es ist davon auszugehen, dass das Investment in der Annahme erfolgt, dass die Stadtberner Politik alles für eine Lösung auf der Allmend unternimmt.

YB hofft, dass die Trainingsfelder dort wenigstens gleichzeitig mit dem Fussballcampus erstellt werden können. Das wäre in rund fünf Jahren. Erst dann wäre für YB das leidige Thema der Trainingsinfrastruktur endlich bewältigt.

Dominic Wuillemin
Dominic Wuillemin


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