Dieser Artikel wurde von der «Berner Zeitung» zur Verfügung gestellt.

Wert von Liegenschaften in Bern

Wenn die Beschwerde den Preis weiter in die Höhe treibt

Wer sich gegen die Neubewertung seiner Liegenschaft wehrt, hat oft wenig Chancen. Eine Frau erreichte gar das Gegenteil.

Carlo Senn
Blick auf das Wylergut-Quartier Bern
Blick auf das Wylergut-Quartier in Bern: Auch diese Häuser dürften in den letzten Jahren deutlich an Wert zugelegt haben. (Foto: Beat Mathys)

Ist das Haus laut Behörden plötzlich mehr wert? Das ist oftmals kein Grund zur Freude. Denn die Neubewertung bedeutet für Hausbesitzende im Kanton Bern besonders eines: höhere Steuern an Gemeinde und Kanton.

Der Kanton Bern hat in den letzten Jahren im Rahmen einer Neubewertung sämtliche rund 730’000 Grundstücke und damit auch Liegenschaften im Kanton neu eingeschätzt.

Es kam zu Tausenden Einsprachen, fast 13’000 an der Zahl, 4000 davon aus der Gemeinde Saanen. Doch die Mehrheit war chancenlos. So kam es in erster Instanz laut Steuerverwaltung zu 55 Prozent Abweisungen und nur 8 Prozent Gutheissungen. Bei 37 Prozent erhielten die Einsprechenden immerhin teilweise Recht, das heisst, der amtliche Wert wurde leicht zurückgestuft. Die Steuerverwaltung arbeitet immer noch daran, alle Einsprachen abzuarbeiten, Ende März waren noch 1191 offen.

Von den Einspracheentscheiden wurden wiederum rund ein Prozent an die nächste Instanz weitergezogen, an die Steuerrekurskommission. Nun zeigen publizierte Urteile, dass auch vor dieser zweiten Instanz die Chancen oft schlecht stehen – es gibt jedoch auch durchaus Liegenschaftsbesitzer, die Erfolge mit Rekursen hatten.

Besser nicht beschwert

Zunächst zu einem speziellen Fall: Eine Frau wollte ihre Neubewertung ihres vierstöckigen Hauses nicht akzeptieren.Wo genau sich das Haus im Kanton Bern befindet, geht nicht aus den Unterlagen hervor. Der Wert war zum Unmut der Hauseigentümerin von 569’900 auf 840’300 Franken erhöht worden.

Das entspricht tatsächlich einer überdurchschnittlichen Wertsteigerung im Kantonsvergleich: rund 47 Prozent statt der durchschnittlichen 20 bis 25 Prozent. Ihr Pech war, dass die Schätzer der Steuerverwaltung Ende 2020 für einen Augenschein vorbeikamen. Das war eine Ausnahme, aus Ressourcengründen besichtigte die Steuerverwaltung nur wenige Liegenschaften, meist ältere Gebäude.

Im Regelfall erfolgte die Neubewertung auf automatische Weise. Wäre die Bewertung bei der Einsprecherin vom Schreibtisch aus erfolgt, hätte der amtliche Wert mit 662’900 Franken deutlich weniger betragen. Doch die seit 1999 erfolgten Unterhaltsarbeiten haben den Wert der Liegenschaft deutlich erhöht, wie die Schätzer vor Ort feststellten.

Das fand die Einsprecherin unfair und erhob Beschwerde, welche die Steuerverwaltung zurückwies. Die Frau zog den Entscheid weiter. Um den Sachverhalt zu prüfen, kam es Anfang 2023 zu einem weiteren Augenschein, diesmal schritt eine Delegation der Rekurskommission durch das Gebäude.

Doch sah diese keinen Grund für eine Korrektur nach unten. Nicht nur wiesen sie den Rekurs der Frau ab, sie setzten sogar noch einen drauf: Neu beträgt der amtliche Wert 878’100 Franken, also nochmals fast 38’000 Franken mehr als nach der ursprünglichen, deutlich höheren Neubewertung. Der Grund dafür war, dass die Delegation das wirtschaftliche Alter eines Stocks für eine Praxis statt auf 57 auf 38 Jahre einstufte.

Nach unten korrigiert

Nicht ganz so stark gegen seine Interessen lief der Rekurs eines anderen Berner Immobilienbesitzers. Er hatte die Neubewertung seines Wohnhauses plus Garage angefochten. Das Steueramt bewertete es auf 568’600 Franken, zuvor hatte der amtliche Wert der Liegenschaft 334’100 Franken betragen.

Auch seine Einsprache wies die Steuerbehörde ab, auch er zog das Verdikt weiter. Er könne kein Solardach montieren wegen der Schattenlage, und im Keller laufe ständig Wasser rein, weshalb die Bewertung zu hoch sei, monierte der Mann vor der Rekurskommission. Die aber sah es anders und wies den Rekurs ab.

Allerdings gibt es auch Fälle, in denen die Neubewertung stark nach unten korrigiert wurde. So bei einem Grundstück mit einem ehemaligen Bauernhaus. Auf diesem befanden sich im Wesentlichen das ehemalige Bauernhaus mit sechs Wohnungen und einem Büroteil sowie ein frei stehendes Einfamilienhaus, das frühere «Stöckli». Die Steuerverwaltung erhöhte den Wert aus dem Jahr 2016 von 2’833’500 auf 4’232’500 Franken. Der Besitzer konnte jedoch nachweisen, dass Teile des Gebäudes von der Steuerverwaltung deutlich zu hoch bewertet wurden. Vor der Steuerrekurskommission erreichte er eine Senkung auf 3’884’000 Franken.

Auch die komplette Zurückweisung kommt vor: So hatte die Steuerverwaltung bei einem anderen landwirtschaftlichen Gebäude einen Realwertzuschlag gemacht, was gesetzlich nicht vorgesehen ist. Die Steuerverwaltung muss deshalb hier nochmals über die Bücher.

Für den Kanton hat sich die Neubewertung gelohnt: Allein dadurch sind rund 45 Millionen mehr in die Staatskasse geflossen. Für die Gemeinden rechnete die Steuerverwaltung mit rund 79 Millionen, allerdings haben viele Gemeinden ihre Steuern gesenkt, weshalb dieser Wert deutlich tiefer ausfallen dürfte.

Wer mit seinem Rekurs gegen den neuen Wert des Eigenheims gescheitert ist, dem steht der Gang ans Berner Verwaltungsgericht offen.

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