Fehlende Rasenflächen in Bern

Ärger macht sich breit(sch)

Die Bevölkerung in der Stadt Bern wächst, die Anzahl der Rasenplätze kaum. Ein Umstand, der für grossen Druck und noch grösseren Unmut bei den Sportvereinen sorgt – so auch beim Berner Kultclub FC Breitenrain. «Die Politik hat zu lange zugeschaut! Es braucht mehr Plätze», so die klare Ansage von Vorstandsmitglied Michael Suter zur Thematik, die längst nicht mehr nur ein sportliches, sondern vielmehr ein gesellschaftliches Problem darstellt.

Text: Manuel Moser, Bilder: Manuel Moser, Ben Abegglen, Keystone
FC Breitenrain

Man stelle sich vor… Sophia, achtjährig und in Bern aufgewachsen, hat sich vom Fussballfieber ihres Vaters anstecken lassen. Des Öfteren war sie an den Wochenenden mit ihm auf dem «Spitz», dort, wo der FC Breitenrain seit Jahren das Amateur-Fussballerherz höherschlagen lässt. Selbst dem Ball hinterherjagen, um die Gegner dribbeln oder ausgelassen jubeln nach einem Treffer – auch Sophia möchte das.

Angesichts der Frauen-EM 2025 in der Schweiz erhofft man sich von verschiedenen Seiten, exakt diese Begeisterung auslösen zu können. Grundsätzlich eine begrüssenswerte Absicht, wäre da nicht ein grosses «ABER»!

Sophias Vater möchte seiner Tochter den Wunsch natürlich erfüllen, fragt bei seinem Herzensclub an und wird jäh enttäuscht. Mehr als ein Platz auf der Warteliste, auf der andere Mädchen schon fast zwei Jahre draufstehen, liege nicht drin. Zu wenig Platz respektive Rasenfläche sei vorhanden, um allen Nachwuchskickerinnen und -kickern, die Möglichkeit zu bieten, einer der schönsten Nebensachen der Welt nachzugehen.

Nicht jeder, der will, kann

Diese kurze Geschichte ist – mit Ausnahme des Namens – die knallharte Realität, mit der sich viele Vereine in und rund um Bern derzeit konfrontiert sehen. «Vor dem Hintergrund, dass Sport gesund ist und vor allem junge Kinder in vielerlei Hinsicht fördert und fordert, ist solch eine Situation völlig absurd», fasst es Michael Suter zusammen. Er ist im Vorstand des FC Breitenrain, Vertreter der Frauen- und Mädchenabteilung sowie Co-Leiter der Nachwuchsabteilung.

Mit rund 600 Junioren und Juniorinnen gehört der «FC Breitsch» im Kanton Bern zu den Clubs mit einer der grössten Nachwuchsabteilungen. Um die 50 Mannschaften, inklusive der Aktivteams, sind es, die jährlich am Schweizer Spielbetrieb teilnehmen. Getreu dem Sprichwort «ohne Fleiss kein Preis» liegt die oberste Priorität des Vereins darauf, allen Teams genügend Zeit und Raum für Trainings zu bieten.

Neben der Heimspielstätte, dem «Spitz» mit einem Kunstrasenplatz, sind die Teams des Traditionsclubs auch auf der Allmend sowie den Schulhauswiesen Bitzius und Manuel anzutreffen. «Und dann gibt es noch die Kasernenwiese. Die kann man aber nicht reservieren, es besteht also keine Planungssicherheit. Wenn man Pech hat, ist die Anlage belegt», so Suter.

Drei Plätze also für mehrere hundert Kickerinnen und Kicker … «Die Teams, die wir aktuell haben, können wir gerade noch bewirtschaften», hält Suter fest. Heisst im Umkehrschluss aber auch, dass alle potenziellen Neumitglieder aktuell in die umgangssprachliche Röhre gucken. «Wir führen auf allen Stufen Wartelisten. Kinder und auch Trainerinnen und Trainer haben wir genug, aber der Platz fehlt einfach!»

Ein leidiges Thema …

Rasenplätze in der Hauptstadt sind also ein kostbares und vor allem seltenes Gut. Dass das so ist, wissen auch die Ämter der Stadt – und das schon längere Zeit. Im Jahr 2013 wurde das Defizit an Rasenfeldern auf sage und schreibe 10 000 Stunden beziffert. Eine unglaubliche Zahl, die auch in der Politik aufhorchen liess. Die damaligen Stadträte Nadja Kehrli-Feldmann und Thomas Göttin reichten daraufhin ein Postulat ein, in dem der Gemeinderat aufgefordert wurde Massnahmen zu evaluieren.

Dieser handelte, gab die Erarbeitung einer Rasenstrategie in Auftrag und schaffte mit neuen Kunstrasenfeldern bereits etwas mehr Kapazität. Dennoch fehlten zu diesem Zeitpunkt, es war im Jahr 2016 vier Natur- respektive zwei Kunstrasenplätze, um den eigentlichen Bedarf zu decken. Wie in der Rasenstrategie damals ersichtlich, solle sich diese Anzahl der fehlenden Felder bis ins Jahr 2030 gar verdreifachen – sprich zwölf Naturrespektive sechs Kunstrasenplätze zu wenig!

Ein Problem der Prioritäten?

Das Problem wurde erkannt, ja, und es wurden in den letzten Jahren auch Anpassungen vorgenommen (siehe Stellungnahme Sportamt weiter unten). Und dennoch: Mit der wachsenden Bevölkerung und der Tatsache, dass Sport bei jungen Leuten mittlerweile einen grösseren Stellenwert hat, stieg natürlich die Nachfrage. Der Unmut auf Vereinsebene ist daher nicht wirklich kleiner geworden. «Wir als FC Breitenrain sind uns natürlich bewusst, dass da etliche Faktoren mit reinspielen. Aber eine grosse Veränderung haben wir in den letzten Jahren nicht gespürt», hält Suter fest.

Das Vorstandsmitglied findet die Behauptung, dass die Politik in den letzten Jahren geschlafen hat, etwas hart, schlägt mit seiner Aussage aber in eine ähnliche Richtung. «Das Problem würde ich eher der Priorisierung zuschreiben», sagt er.

Die Stadt Bern habe seine Infrastruktur schon vor längerer Zeit vernachlässigt und es bestehe dringender Nachholbedarf. «Das betrifft natürlich nicht nur die Rasenflächen, sondern allgemein die Sportstätten. Dennoch habe ich das Gefühl, dass die Politik zu lange zugeschaut hat und die Prioritäten vielleicht falsch gesetzt wurden!»

Was Suter aus eigener Erfahrung, aber auch im Austausch mit anderen Vereinen in Erfahrung gebracht hat: Der Ärger und auch Unmut bei den Clubs, vor allem aus dem Bereich Fussball, ist gross. «Das Thema ist schon so lange da und man hat einfach das Gefühl, dass die Stadt nicht oder zu wenig handelt. Das Problem ist bekannt, aber gefühlt passiert einfach nichts!» Dass beispielsweise Felder über die Wintermonate dann gar noch an auswärtige Clubs vergeben werden, sorge einfach nur noch für Unverständnis. «Es kommt nicht oft vor, aber es kommt vor. Und das versteht nun wirklich niemand!»

Bemühungen intensivieren

Als Verantwortlicher der Frauen- und Mädchenabteilung beim Club tauchen bei Suter mit Blick auf das sportliche Highlight im nächsten Jahr, der Frauen-EM 2025, natürlich weitere Fragen auf. Er begrüsst die Tatsache, dass dem Frauenfussball ein höherer Stellenwert, inklusive Mitgliederzuwachs, zugeschrieben werden soll.

Bei der Umsetzung hat er aber so seine Zweifel: «Aktuell hoffen wir, dass der von vielen Seiten gewünschte Schub, den die EM hierzulande im Frauenfussball bringen soll, ausbleibt. Wo sollen wir denn überhaupt hin mit all den potenziellen Neumitgliedern, wenn die Wartelisten jetzt schon voll sind?!»

Doch egal, ob nun Frauen- oder Männer-, Juniorinnen- oder Juniorenfussball. Tatsache ist: Es gibt zu wenig Rasenfläche, um die aktuell sportlichen Bedürfnisse der Bevölkerung vollends zu befriedigen. Dass nicht alle Probleme auf einen Schlag gelöst werden können, das ist klar.

Doch zumindest die Bemühungen, diesem Missstand schnellstmöglich entgegenzuwirken, müssen intensiviert werden. «Heisst für uns als Clubs auf der einen Seite, dass wir jede Gelegenheit nutzen sollten, um Druck aufzubauen, damit sich was ändert. Auf der anderen Seite sollten wir uns aber auch damit auseinandersetzen, was wir als Verein trotz der schwierigen Umstände beitragen können», so Suter.

Letztlich ist es nämlich nicht nur eine Problematik aus dem Bereich Sport, sondern eine, die die gesamte, immer ungesünder lebende Gesellschaft betrifft. «Wir, und damit meine ich nicht nur den Fussball, brauchen einfach mehr Platz, damit das Bedürfnis nach Sport auch mit Blick auf die Gesundheit befriedigt werden kann!» Ein kleiner, noch bescheidener Hoffnungsschimmer gibt es: Erst kürzlich wurde die Rasenstrategie der Stadt Bern aktualisiert, nachdem der Gemeinderat gut 50 mögliche Standorte für neue Rasensportflächen prüfen liess. Daraus ergaben sich drei potenzielle Plätze, wo ein Neubau einer Anlage Sinn machen würde: beim Bahnhof Brünnen Westside, bei der Endstation Tram 7 in Bümpliz und bei der Rudolf- Steiner-Schule in der Nähe des Zentrums Paul Klee. Bevor aber effektiv geplant werden kann, braucht es Abklärungen u.a. betreffend Einzonung, Kontakt mit den betroffenen Grundeigentümerschaften oder auch die Integration in den regionalen Richtplan Sportanlagen. Mehr dazu und zur Rasenstrategie der Stadt gibt’s im zweiten Teil des Beitrags.


Platz- und Personalproblem

Wie dem FC Breitenrain geht es in und um die Stadt Bern auch vielen anderen Clubs – Wartelisten so weit das Auge reicht. Schuld daran ist, anders als beim FC Breitsch, aber nicht immer nur der fehlende Platz. Etliche Vereine haben auch Probleme, neue Trainerinnen und Trainer zu finden, um die Flut an neuen Spielerinnen und Spielern zu betreuen. Dass dies möglicherweise auch damit zusammenhängt, dass der Platz eben begrenzt ist, scheint einleuchtend. Oder wie Suter sagt: «Der Unmut, der aktuell rund um die Thematik herrscht, sorgt vielleicht auch dafür, dass sich Leute weniger gerne ehrenamtlich engagieren. Einem Kind zu sagen, dass man es nicht aufnehmen kann, das macht niemand gerne!»


Die Rasenstrategie der Stadt im Überblick

Priorisiert wurde in der Strategie von 2016 aus Kostengründen, bevor neue Anlagen gebaut werden, eine bedarfsgerechte Optimierung. Bis ins Jahr 2020 sollten vornehmlich Beleuchtungen nachgerüstet (Sportplätze Murifeld, Steigerhubel und Viererfeld) sowie Garderoben erstellt oder erneuert werden (Sportplätze Bodenweid, Spitalacker, Steigerhubel, Länggasse und Viererfeld).

In einer zweiten Phase (ab 2020) wollte man dem Wachstum der Stadt und dem wachsenden Bedarf an Plätzen mit dem Bau von weiteren drei Naturrasenplätzen im Bottigenmoos begegnen. Ab 2025 sollten dann neue Standorte für Sportplätze geprüft und die Möglichkeit von Sportflächen, welche gemeinsam mit einer oder mehreren Nachbargemeinden erstellt werden, evaluiert werden.

Erst kürzlich wurde die Rasenstrategie der Stadt Bern nun aktualisiert, nachdem der Gemeinderat gut 50 mögliche Standorte für neue Rasensportflächen prüfen liess. Daraus ergaben sich drei potenzielle Plätze, wo ein Neubau einer Anlage Sinn machen würde: beim Bahnhof Brünnen Westside, bei der Endstation Tram 7 in Bümpliz und bei der Rudolf-Steiner-Schule in der Nähe des Zentrums Paul Klee. Bevor aber effektiv geplant werden kann, braucht es Abklärungen betreffend Einzonung von Fruchtfolgeflächen, Kontakt mit den betroffenen Grundeigentümerschaften oder auch die Integration in den regionalen Richtplan Sportanlagen. Mehr dazu gibt es unter https://www.bern.ch/mediencenter/medienmitteilungen/aktuell_ ptk/rasensportflaechen-drei-standorte-werden-vertieft-geprueft


Autor Manuel Moser von Plattform J
Autor Manuel Moser von Plattform J.

INFO

Dieser Beitrag ist kürzlich bei unserem neuen Medienpartner «Plattform J» erschienen. Sie finden ihn unter www.plattformj.ch > E-Paper > Freitag, 15. März 2024. Den zweiten Teil der Story, u.a. mit der Reaktion des Sportamt Bern, finden Sie im Plattform J-E-Paper vom Samstag, 16. März, ab Seite 20, über den gleichen Link


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