Besuch in der Bistro-Bar «Viktor»

Alle Katzen haben Durst und Hunger

Seit knapp zwei Jahren ist der neugestaltete Viktoriaplatz dank der Bistro-Bar «Viktor» ein echter «Place to be» für ein urbanes Publikum zwischen 20 und «Forever Young».

Jean-Claude Galli
Bistro-Bar «Viktor»
Eine Bereicherung des Platzes: Das Viktor (Bilder: jc)

Sind wirklich alle Katzen schön? Nicht nur nachts, auch tagsüber? «Come as you are – all cats are beautiful», das Credo der Bistro- Bar «Viktor» bringt uns zum Grübeln. Wohl ist es wie beim Betrachten eines Bildes oder anderen Kunstwerkes. Fantasie, Geschmack und Perspektive sind entscheidend. Wir könnten hier und heute an der Köpenicker Strasse in Berlin sitzen oder im Hamburger Kreativbezirk Eimsbüttel. Doch befinden wir uns tatsächlich am Viktoriaplatz im wie immer leicht verschlafenen Bern. Alles ist wertneutral ausgedrückt sehr divers hier und doch charakteristisch, sogar die kleinen Tischleuchten. Und die Firma Herschel aus dem kanadischen Vancouver hat mit ihren Rucksäcken und Taschen ganz tolle Geschäfte gemacht, wie wir konstatieren. Wir sehen die Lehrerin und die Fotografin, den Grafiker und den Soziologen. Gegangen sind die Familienväter vom Nachmittag mit dem Säugling im Tragetuch, beschattet von den übergrossen Sonnenblenden ihrer Patagonia-Caps. Gekommen sind dafür die Nachtvögel, fürwahr ein idealer «Treffpunkt für Quartierkatzen und Quartierkater », wie es auf der Website heisst. «In den Tag hineinleben, unabhängig und frei sein», wer immer sich dies leisten kann und mag. Und mit ein wenig Sinn sind sogar lokale Berühmtheiten wie die Sängerin einer Electro-Band, ein Schauspieler und ein DJ auszumachen. An den vollen Tischen um uns herum wird auffällig oft und laut gelacht an diesem bunten Abend, was wir sicher für ein gutes Zeichen halten dürfen.

Drinks und Happen statt Pillen und Pulver

Im Mai 2022 wurde «Viktor» von den vier jungen Gastro-Profis Demian und Florian Bürki, Stefan Hirsig und Phil Kupferschmid eröffnet. Aus dem damals angestrebten «Bindeglied zwischen Altstadt und Breitsch» ist längst ein eigenes Epizentrum geworden, wie die Menschentrauben ab Mitte Nachmittag auf der Terrasse und später drinnen zeigen. Wie in Berlin ist auch hier ganztägig ein Frühstück bestellbar, am Samstag und Sonntag mit drei zusätzlichen Teller-Gerichten und Bloody Mary «Katerfrühstück » genannt. Auf der Abendkarte figurieren mehrere kleine Gerichte, die sich zum Apéro oder kombiniert zum umfangreicheren Nachtessen eignen, alles gut auch zum Teilen. Regelmässig wirken im «Viktor» spannende Gastköche, zuletzt der gebürtige Münsinger Ken Rojas, der seine philippinischen Wurzeln einbrachte. Im Zentrum des Barangebots steht die grosse Offenausschank- Anlage, über welche nicht nur Bier, Cidres und Softdrinks, sondern auch Wein fliesst, um die Altglasmengen zu reduzieren. Seit dem Umbau der früheren Apotheke ist der Rohbeton wieder sichtbar, was den urbanen Charakter des Interieurs noch verstärkt. Die dominante Fensterfront garantiert beste Sicht auf die Terrasse und den ganzen Platz. Die Anbindung an den öffentlichen Verkehr ist mit dem 10er- Bus und dem 9er-Tram formidabel.

Vom Fischer und seiner Frau

Wir legen los, wie die nahe, frühere Feuerwehr. Und zwar mit den Vorspeise- Kreationen «Panettone salato/ Labneh/Bärlauch», «Rüebli/ Stracciatella/Portulak» und «Ei/Sardine/ Cornichon/ Knoblauch». Letztere entpuppt sich als zeitgemässe Adaption von klassischen «Scotch Eggs», die zu einem Glas Viktor’s Lager von «Braukunst» Bern oder einem Glas offenen Zweigelt «Unchained » von Martin Obenaus (fürwahr!) aus dem Kremstal besonders gut munden. Für all jene Leserinnen und Leser, die vorhin stutzten: Labneh ist ein libanesischer Joghurt- Frischkäse, ideal zum Dippen. Und der salzige Panettone überrascht durch schwarzen Sesam und Chiliflocken. Die aktuellen Hauptgerichte, die auch am Mittag samt Salat und Suppe erhältlich sind, heissen «Weis se Bohne/Lauch/Salsa Verde» und «Frikadelle/Bratkartoffel/ Gemüse/Zwiebelketchup». Auf dem vegetarischen Teller erfreut uns zusätzlich ein Tofu-Triangel mit pikanter Kruste, bei der Frikadelle schätzen wir insbesondere das erstklassige Rotkraut und das hausgemachte Ketchup. Ein erster kleiner Höhepunkt ergeht schon mit dem Brot zum Tunken, nämlich das Kräuter-Chili-Olivenöl mit kleinen Kapern. Bemerkenswert sind die Konserven für alle Tapas-Fans. Zur Wahl stehen die Leberpastete vom Bauernhof «La Luna» in Sóller auf Mallorca, zweierlei Sardinen aus der Bretagne oder Galicien sowie eingelegte Zamburiñas, Kammmuscheln, ebenfalls aus Nordwestspanien. Auch Naschkatzen – der Ausdruck sei uns hier verziehen – dürfen sich gerne niederlassen. Wir empfehlen den Rüebli- und den Schokoladekuchen mit einem Hauch Kokos, dazu am besten ein «Kännli» Tee aus der Länggasse, wo die allerschönsten Katzen herkommen.

Bistro-Bar «Viktor»
Alles lecker und genussvoll: Brot…
Bistro-Bar «Viktor»
… Rüeblisalat …
Bistro-Bar «Viktor»
..Rüeblikuchen.
Bistro-Bar «Viktor»
Bohnen, Tofu und Lauch …
Bistro-Bar «Viktor»
… oder Labneh.
Bistro-Bar «Viktor»
Dazu ein frisches Hausbier.

INFO

  • Küche: Moderner Pepp mit Meerbrise, aus dem Stall oder vom Garten
  • Service: Umsichtig und zugänglich
  • Ambiente: Ein Hauch Berlin in Bern
  • Preise: Kein Hard-Discounter
  • Adresse: Viktoriaplatz 3, 3013 Bern
  • Telefonische Reservation: 031 333 30 13, www.allcatsarebeautiful.ch
  • Öffnungszeiten: Montag und Dienstag, 16 bis 22 Uhr; Mittwoch, 8 bis 22 Uhr; Donnerstag bis Samstag, 8 bis 24 Uhr; Sonntag, 9 bis 14 Uhr

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