Corinnas Quartier Talk mit Paul Ott
Wie in der Presse zu lesen war, hat Paul Ott, der Krimiautor aus dem Nordquartier, in Deutschland den Ehren-Glauser 2024 für sein Engagement für die deutschsprachige Krimiszene erhalten. Unter dem Namen Paul Lascaux, was vielen Nachbarn des Nordquartiers vielleicht nicht bekannt ist, verfasst der Katzen-, Bücher- und Kunstliebhaber Paul Ott unter dem Pseudonym Paul Lascaux seit über 30 Jahren Kriminalromane, die meisten mit Berner Szenerien und Handlungen.
Paul Ott, herzliche Gratulation zum Ehren-Glauser. Eine Würdigung, die schon lange fällig war – oder warst du überrascht?
Man hat mich mit der Nachricht sozusagen aus dem Schlaf gerissen. Ich war ja selbst schon einige Male in Jurys und kenne die Anforderungen, die es für diesen Preis braucht. Es ist immerhin der wichtigste Preis, den es im deutschsprachigen Kriminalroman gibt. Klar habe ich in meinem Leben vieles gemacht, aber das muss ja auch erst jemand merken und würdigen. Deshalb war die Überraschung, aber auch die Freude riesengross.
Du schreibst fast jedes Jahr einen Krimi. Du scheinst einen nie versiegenden Quell an Geschichten in dir zu tragen.
Das Erstaunliche ist, dass es noch möglich ist, Themen zu finden, die mich und hoffentlich auch die Leserschaft faszinieren. Manchmal trage ich Themen jahrelang mit mir herum, bis ich sie realisieren kann. Manchmal finden mich die Themen auch selbst, so wie beim neuen Krimi «Berner Gerechtigkeit»; beim Herumstöbern im Internet bin ich auf einige Briefe gestossen. Der eine war an eine Julie Ferrier «gegenüber der Caserne in Bern» adressiert. Da ich in der Nähe der Kaserne wohne, habe ich mitgeboten. Erst später ist mir aufgefallen, dass die Kaserne damals – der Brief stammt aus dem Jahr 1836 – gar nicht im Breitenrain stand. Es hat sich dann herausgestellt, dass einige Briefe vom Armenwesen handeln. Und ein besonders interessanter Text ist eine schriftliche Anfrage für einen Verdingbuben. So hat mich das Thema gefunden.
Was fasziniert dich am Kriminalromanschreiben?
Das Recherchieren ist ein wichtiger Teil der Vorarbeiten, da kann man sich ausführlich und gezielt mit einem Thema beschäftigen und lernt meist viel Neues. Das ist die Grundlage für einen Text, den man nachher als eine spannende Geschichte so aufbauen muss, dass die Leserinnen und Leser einerseits die Entwicklung des Falles mitverfolgen können, aber nicht zu früh auf eine Lösung gelenkt werden. Es ist also sozusagen eine gegenläufige Entwicklung, die ein komplexes Gedankenspiel voraussetzt. Ausserdem kann ich aktuelle und historische Themen ansprechen, je nachdem, was ich für ein bestimmtes Buch gewählt habe. Und ich kann Geschichten erzählen, die Grundsubstanz menschlichen Wissens.
Bern ist Schauplatz vieler deiner Geschichten. Bist du im Vorfeld in der Stadt unterwegs und erkundest mögliche Orte der Handlungen oder wie gehst du vor?
Lokalkolorit ist entscheidend und bildet den Hintergrund, sozusagen die Kulisse für eine Geschichte. Natürlich suche ich mir entsprechende Handlungsorte aus, aber nicht nur das. Bevor ich mit dem Schreiben beginne, gibt es für jede handelnde Figur auch eine Art Steckbrief, zu dem natürlich auch eine Wohnung gehört. Da überlasse ich nichts dem Zufall. Im neuen Krimi habe ich einen abgelegenen Ort gesucht, wo man eine Person verstecken kann, ohne dass es auffällt. Das hat sich als besonders schwierig herausgestellt, denn es gibt im weiteren Umkreis von Bern kaum solche Plätze, an denen nicht tagtäglich viele Menschen vorbeikommen.
Ist Bern gut geeignet als «Ort des Verbrechens»?
Im Prinzip ja, obwohl die Stadt nicht besonders gross ist. Sie hat aber den Charme einer jahrhundertealten Geschichte, was besonders für historische Themen wichtig ist. Sie hat darüber hinaus ein gewisses internationales Flair als Bundesstadt und als Hauptstadt eines landwirtschaftlich geprägten Kantons. Bern hat ein funktionierendes Kultur-, Wirtschaftsund Sportleben, aber alles in einer überschaubaren Grösse. Stoff genug für abgründige Geschichten.
Arbeitest du auch viel aus deinem Leben (Musikvorlieben, Kunstaffinität etc.) ein?
Natürlich spielen diese Affinitäten eine gewisse Rolle, hauptsächlich in der Gestaltung der Figuren mit ihren Vorlieben, ab und zu als zentrales Thema. Um Kunst ging es beispielsweise in «Berner Totentanz», in dem jemand ein nicht signiertes Aquarell kauft, von dem er überzeugt ist, dass es von Paul Klee gemalt worden ist. Oder früher in «Nelkenmörder», wo es um Kunst aus der Renaissance geht, die auf die Werkstatt von Sandro Botticelli zurückzuführen ist. Da bricht natürlich meine Leidenschaft durch.
Würden deine Bücher dereinst verfilmt, wärest du gerne selber Ermittler, sprich Heinrich Müller der Detektei Müller & Himmel, deiner Fälle?
Nein. Ich habe keinerlei schauspielerische Ambitionen. Man soll im Leben machen, was man kann, und das gut. Alles andere ist Beilage.
Weshalb schreibst du einerseits unter einem Synonym und andererseits unter deinem wirklichen Namen Romane?
Ich war nach meiner Ausbildung 1984 ein paar Monate lang arbeitslos und habe in dieser Zeit meinen ersten kurzen Krimi geschrieben, unter dem sinnigen Titel «Arbeit am Skelett». Es hat aber noch drei Jahre gedauert, bis der Text als Buch erschien. Damals habe ich bereits als Lehrer gearbeitet und Buchrezensionen z. B. für die Berner Zeitung geschrieben. Einerseits wollte ich die Dinge nicht vermischen, andererseits wurde man mit einem Krimi gleich in eine Schublade gelegt, und ich wusste ja nicht, ob ich weiterschreiben würde. Als das Buch ein kleiner Erfolg wurde, habe ich mich motiviert gefühlt weiterzumachen. Das Pseudonym bezieht sich auf die Malereien in den Höhlen von Lascaux und dokumentiert meine Faszination für die Prähistorie. Deshalb schreibe ich seither die Krimis unter Pseudonym und alles andere (Sachbuch, Herausgeber) unter meinem Echtnamen.
Du tauschst dich gerne über die Sozialen Medien aus. Die dortigen Dialoge wären oft auch Stoff für ein Buch, vielleicht ja für einen Krimi mit humoristischem Hintergrund?
Ich habe tatsächlich schon mal Online- Dialoge für einen Krimi verwendet. Heute ist das aber ein wenig degeneriert. Den Leuten ist irgendwie der Humor vergangen. Ein bisschen Sarkasmus, und die Stimmung kippt. Sozusagen zurückgeworfen auf das alte «gut und böse». Das ist aber für das Schreiben von Texten nicht interessant. Leider.
Du lebst seit vielen Jahren im Breitenrain. Was hat dich nach Bern gezogen und hier gehalten und wo würde dein Verbrechen im Breitsch geschehen?
Ich bin 1974 für das Studium nach Bern gezogen, habe mir hier über die Jahre einen Freundes- und Bekanntenkreis aufgebaut und bin deswegen hier hängengeblieben. Weil ich aber ein durch und durch nicht kriminelles Leben führe, brauche ich keinen solchen Ort. Da die «Detektei Müller & Himmel» im Breitenrain stationiert ist, hält sich das Verbrechen fern. Einzig der Botanische Garten ist ab und zu gefährdet.
Herzlichen Dank, lieber Paul, für deine Zeit und Gedanken.
PERSÖNLICH
Paul Ott, geboren 1955, wuchs in Goldach und St. Gallen auf und zog 1974 nach Bern, wo er 1979 sein Studium in Germanistik und Kunstgeschichte abschloss. Nach dem Studium war er als Lehrer tätig und erlangte 1984 das Gymnasiallehrerpatent. 1984 begann Paul Ott unter dem Pseudonym Paul Lascaux Kriminalromane zu schreiben, ist Herausgeber diverser Sachbücher und Initiator des Krimifestivals «Mordstage». Bis heute hat Paul Ott über 20 Bücher veröffentlicht. Er lebt seit 33 Jahren im Breitenrain und liebt nebst dem Schreiben das Ersteigern von Kunstraritäten sowie seine Katze.