Darling

Liebling, gib den Teller her!

Vor genau zwei Jahren wurde das Restaurant im Hotel Alpenblick zum eigenständigen Lokal namens «Darling». Beste Gelegenheit für eine ausgiebige Visite an der Kasernenstrasse.

Jean-Claude Galli
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Eingang (Bilder: jc)

Im Februar 2022, die pandemiebedingten Sonderumstände hallten gerade noch kräftig nach, starteten Noemi Wüthrich und Christoph Schürch im Hochparterre des Hotels Alpenblick mit ihrem Restaurant «Darling». Der 45-jährige Gastronom hat die Welt gesehen, insbesondere die kulinarische. Er ist angelsächsisch geprägt und wirkte bei den britischen Koryphäen Gordon Ramsay und Jeremy Lee in London. Deshalb wählten er und Wüthrich auch einen englischen Namen für ihr Lokal, der gleichzeitig die Zugänglichkeit der Küche und die Philosophie des Hauses repräsentieren soll. «Der Name schien uns für unseren Lieblingsort passend», sagt Schürch. Kein Fine-Dine-Hokuspokus, sondern lieber ein gemütlicher Abend unter Freunden, wie er auch im eigenen Wohnzimmer möglich wäre. «Ein Ort zum Wohlfühlen, Loslassen und Spasshaben. Für unsere Gäste, aber auch für unser Team», so das Credo der Gastgeber. «Wir mögen es familiär und authentisch.» Die Zugänglichkeit der Küche bezieht sich ebenso auf die lokalen Lieferanten. Das Fleisch stammt von der Bio-Metzgerei La Boulotte am Breitschplatz, das Gemüse vom Biohof Riem im «Chabisland» und der Wein grösstenteils vom Weinladen Trallala am Eigerplatz. Und der Kampf gegen «Food Waste» und das «Nose-to-tail»-Prinzip sind im «Darling» nicht nur Worthülsen.

Pluspunkt Service

Am Mittag stehen drei Pasta-Menüs mit selbstgemachten Teigwaren zur Auswahl. Die Abendkarte bietet Raum für zwanglose Tafeleien ohne steife Attitüde, ideal auch für Verliebte oder ein erstes Date. Die Vorspeisen eignen sich zum Teilen. Und die Hauptgänge sind nicht erschlagend gross. Wir beginnen mit einem Schwarzwurzel-Parmesan- Snack, Winterrüebli mit Orangen und Hanfsamen sowie Federkohl mit Salzzitrone, Sbrinz und Chili. Unlängst traktierte jeder mittelmässige Koch westlich des Urals seine Gäste mit gekochtem oder gedämpftem Federkohl. Wir schätzen ihn hingegen vor allem als Salat, was hier zu unserem Glück praktiziert wird. Fleischliebhabern legen wir die Pouletleber oder den Brasserie-Klassiker «Pâté en croûte » ans Herz. Service-Frau Alisha empfiehlt zum Einstieg einen «De Facto 22» von der Domaine La Colombe in Féchy, einen natürlichen Schaumwein, dem man problemlos das ganze Essen über die Treue schwören kann. Und Bierfreunde kommen mit den «Braukunst»- Spezialitäten voll auf ihre Rechnung. Über die Vorzüge der Weine aus dem Hause Trallala schliesslich haben wir uns an dieser Stelle schon schwelgerisch genug geäussert. Für eine passende Auswahl sind Sie sicher selber alt genug oder dürfen sich gerne und ohne Gefahr etwas Schönes empfehlen lassen. Wiedersehen mit dem Winter Nun folgen die Hauptgänge. Caserecce sind eine Pastasorte aus Sizilien, die in ihrer Form an eine widerspenstige Schriftrolle oder Urkunde erinnern und die Sauce besonders gut annehmen. Hier präsentieren sie sich leicht, locker und trotzdem winterlich mit Baumnüssen und Spinat. Ein typisches Wintergericht stellt auch der zweite Teller dar, Saucisson mit Sauerkraut. Und der Kürbis auf Teller Nummer 3 wird dank einer innigen Vermählung mit Hummus und Chili zum mediterranen Gaumenschmaus, sicher ein Höhepunkt unseres Besuches. Ebenfalls im Angebot ist unter anderem eine Rindsbrust, separat bestellen lassen sich auch Kartoffelstock oder Wirz. Dank den bereits angesprochenen Portionsgrössen können wir heute auch die Dessertabteilung umfassend berücksichtigen. Wir wählen, selber mit einem England-Spleen ausgestattet, das Ginger Cake mit Vanilleglace (ein Muss), den etwas wuchtig geratenen Insel-Topseller «Rhubarb Fool» und den französischen Evergreen «Cannelé de Bordeaux», der sich wunderbar zum Espresso oder Schwarztee teilen lässt.

Blick ohne Alpen

Sollten Sie es in den nächsten Tagen nicht ins «Darling» schaffen, ist das nicht weiter schlimm. Nebst den 90 Innenplätzen gibt es auf der schon bald wieder zum Thema werdenden Terrasse nämlich ebenso viele Aussenplätze. Dank dem geschickten Einsatz von Pflanzen und Licht ist die Sterilität von früher dort weitgehend verschwunden. Nur die Alpen sieht man immer noch nicht – oder besser nicht mehr. Ein Blick darauf war 1895, als die Liegenschaft erbaut wurde, noch gut möglich. In der Zwischenzeit haben sich nun etliche Häuser dazwischengeschoben. Heute erkennt man auf dem Weg zurück zur Bushaltestelle nachts immerhin den beleuchteten Münsterturm – ein ähnlich erhabener Anblick wie Eiger, Mönch und Jungfrau. Danke, Liebling, es war schön.


INFO

  • Küche: Lokal, saisonal, unkompliziert
  • Service: Sehr erfreulich
  • Ambiente: Fast wie zuhause
  • Preise: Moderat bis angemessen
  • Adresse: Kasernenstrasse 29, 3013 Bern
  • Telefonische Reservation: 031 335 66 55, www.darling.restaurant
  • Öffnungszeiten: Dienstag bis Freitag 11.30 bis 13.30 und 18.00 bis 22.30 Uhr; Samstag 18.00 bis 23.00 Uhr; Sonntag und Montag geschlossen

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Federkohl.
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Winterrüebli.
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Ginger Cake.
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Detail im Bad.
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