Markuskirche

Techno-Sound mit Bibelworten

Was haben die Street Parade und der Deutsche Evangelische Kirchentag (der eher einer Woche entspricht) gemeinsam? Die ungleichen Anlässe bringen Tanzen und Gottesdienst-Feiern zusammen und lieferten die Idee für das «TANZMAHL» in der Markuskirche.

Karin Meier
«TANZMAHL» in der Markuskirche
Sonja Gerber und Martin Ferrazzini wünschen sich auch Diskokugeln am «TANZMAHL».

Es begann mit einer Insta-Story

Die Geschichte geht so: «Letzten Sommer erhielt ich von einer Quartierbewohnerin eine Insta-Story zu einem Tanzgottesdienst am deutschen Kirchentag, verbunden mit der Frage, wann wir bei uns einen solchen Anlass durchführen würden », erzählt Pfarrer Martin Ferrazzini. Er fragte seine Pfarrkollegin Sonja Gerber – die mit ihm das Büro und eine Vorliebe für unkonventionelle Anlässe teilt –, ob sie dafür zu haben wäre, und diese sagte zu. Die zwei Pfarrpersonen besuchten daraufhin die Street Parade in Zürich. In der Wasserkirche an der Limmat nahmen sie an einem interreligiösen Gottesdienst mit DJ und Tanz teil und holten sich Inspiration für ihren eigenen Anlass.

Sonja Gerber und Martin Ferrazzini kehrten mit vielen Ideen zurück und skizzierten das «TANZMAHL». Das Konzept: Die Markuskirche wird zur Disko, in der ein DJ während dreier Stunden Elektromusik auflegt bzw. spielt. Beim dritten Anlauf fanden die Pfarrpersonen den DJ im weiteren Bekanntenkreis von Martin Ferrazzini: Daniel Walther, besser bekannt als Audiomolekül, wird in der Markuskirche für den Sound sorgen. Sein Merkmal sind melodiöse Techno-Liveacts, die er als One Man Band spielt. Auf Spotify geht seine Diskografie bis ins Jahr 2016 zurück. Reinhören – und die Tanzschritte auffrischen – kann man auch auf YouTube.

Neu erlebter, neu belebter Gottesdienst

Während der zweiten Stunde des Liveacts kommen zur Musik die Stimmen der beiden Pfarrpersonen hinzu: Sonja Gerber und Martin Ferrazzini werden ausgewählte Stellen aus der Bibel zitieren und mit weiteren liturgischen Elementen verbinden, sodass die Disco- Party zu einer reformierten Feier wird. «Zentrale Elemente aus Gottesdiensten werden hier neu erlebt, neu belebt. Uralte Worte verbinden sich mit moderner Musik; sie werden ein zeitloses Eins, klingen neu und ungewohnt. Text und Beat, Wort und Klang verbinden sich zu einem Teppich, der uns alle weiterträgt », sagt Martin Ferrazzini.

Auf diesem Teppich hat auch das im Titel des Anlasses vorweggenommene Abendmahl Platz: Die beiden Pfarrpersonen werden allen Teilnehmenden einen Tapa reichen, der aus der Küche des Quartierrestaurants Ô Capitaine stammt. Als Wein gibt es einen «Schluck eines exquisiten Getränks», versprechen die Pfarrpersonen. Dass das Abendmahl so gut schmecken wird, ist gewollt: Gott soll in seiner Köstlichkeit erfahren werden. Die dritte Stunde ist dann wieder voll und ganz dem Tanz gewidmet. Wobei Tanzen (wie auch die Teilnahme am Abendmahl) freiwillig sind: Die Musik lässt sich auch an der Bar sitzend geniessen.

Den Kirchenraum neu erleben

Mit dem Anlass wollen Sonja Gerber und Martin Ferrazzini erstens kircheninteressierte Menschen ansprechen, die sich auf eine andere Form des Gottesdienstes einlassen möchten. Zweitens sollen all jene in die Markuskirche kommen, die einfach gerne tanzen. Drittens richtet sich das «TANZMAHL» auch an jene, die nicht kirchennah sind, aber spirituell abgeholt werden möchten. «Beim Besuch im Pop-up-Restaurant erfuhren Menschen den Kirchenraum, die sonst nicht in die Kirche kommen. Wir zählen darauf, dass dies Kreise gezogen hat und viele nun wissen, dass man in der Markuskirche Kirche anders als gewohnt erleben kann», sagt Sonja Gerber.

Das ungewöhnliche Gottesdienst- Format findet Anfang März in der Phase zwischen den beiden Zwischennutzungen statt. In diesem Zeitraum hat Neues besonders viel Platz: Die Kirchen im Nordquartier sollen nach dem Wunsch der Kirchgemeinderäte explizit als Experimentierraum bespielt werden. Wobei die Verbindung zwischen Tanzen und Gottesdienst-Feiern vielleicht aussergewöhnlicher anmutet, als sie ist: «Beim Abendmahl zeigen sich die grössten Unterschiede zwischen den Konfessionen. Im reformierten Glauben sind Brot und Wein nur ein Symbol für den Leib Christi. Viel wichtiger ist das Miteinander. Das gibt uns viele Freiheiten zur Feier eines Abendmahls», sagt Martin Ferrazzini, der sich für die Vorbereitung des «TANZMAHLS» extra nochmals mit dem Zürcher Reformator Huldrych Zwingli befasst hat. Auch das Tanzen selbst ist nicht so exotisch, wie es scheinen mag: «Tanzen wird in der Bibel mehrfach als Ausdruck der Freude erwähnt und mit Gott in Verbindung gebracht», so Martin Ferrazzini.

Mit Partys und der Gastroszene kennen sich die beiden Pfarrpersonen übrigens aus. Sowohl Sonja Gerber als auch Martin Ferrazzini haben einst nicht nur leidenschaftlich gerne getanzt und gefeiert, sondern sich mit dem Jobben an Bars bzw. dem Organisieren von Partys auch ihr Theologiestudium verdient. Sie hoffen, dass es vielen ähnlich geht und sie ihren Weg in die Markuskirche finden werden.

Text: Karin Meier
Grafik: Martin Ferrazzini
Bild: Matthew LeJune

«TANZMAHL» in der Markuskirche

INFO

«TANZMAHL»

Disco, Bar und Gottesdienst mit Abendmahl
Samstag, 2. März, 20–23 Uhr Markuskirche


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