Dieser Artikel wurde von der «Berner Zeitung» zur Verfügung gestellt.

Wohnraum für 2500 Personen

Gewerbebaracken sollen Hochhäusern weichen

Die Berner Wankdorffeldstrasse steht vor der grossen Transformation. Die Gewerbemeile soll künftig fast so viel Platz fürs Wohnen bieten wie das Viererfeld.

Christoph Hämmann
Berner Wankdorffeldstrasse
Blick auf die Wankdorffeldstrasse: Das ehemalige Gründerzentrum links im Bild wird heute von der Fachhochschule genutzt; rechts im Hintergrund ennet der Bahngleise die Neubauten der Wankdorf-City. Fotos: Raphael Moser

Orte wie die Wankdorffeldstrasse gibt es in der Stadt Bern kaum mehr. Die Häuserzeile zwischen Strasse und Bahngleisen ist geprägt von Gewerbebaracken und Lagergebäuden. Manches wirkt provisorisch, vieles baufällig. Es ist ein Ort für Zwischennutzungen, für Lastwagen und einen Muldenservice.

In einigen Jahren dürfte die Gewerbemeile nicht wieder zu erkennen sein: Die sechs Baurechtsnehmer, die sich die 50’000-Quadratmeter-Fläche im Eigentum der Burgergemeinde teilen, vereinbarten 2018, das Areal gemeinsam zu entwickeln. Inzwischen liegt ein städtebauliches Konzept vor, die Basis für die Planungsvorlage, über die 2027 abgestimmt werden soll. Der Baustart soll 2030 erfolgen.

Entstehen soll zwischen der Stauffacherstrasse und dem Bahnhof Wankdorf «ein urbaner, sozial lebendiger und ökologisch verträglicher Quartierbaustein », wie es auf der Website zum Projekt heisst. Konkret sind etwa 1000 Wohnungen für rund 2500 Personen geplant, dazu Platz für Arbeit und Gewerbe sowie Frei- und Grünräume. Laut Stadt sind zudem «städtische Infrastrukturen » vorgesehen, «die durch die Verdichtung benötigt werden, zum Beispiel Bildungseinrichtungen und Quartierinfrastrukturen ».

Häuser «unterschiedlicher Höhen und Formen»

Als Verbindung zwischen Alt und Neu wird ein Gebäude stehen bleiben, das dem Perimeter schon heute ein Gesicht gibt: das Migros-Gebäude, in dem der Konzern mehrere Läden, einen Do it + Garden sowie ein Restaurant betreibt und das vielen als ehemaliger Migros-Klubschule- Standort bekannt sein dürfte. Die vor gut 70 Jahren als Bürohaus, Lagergebäude und Verteilzentrum gebaute Liegenschaft wurde von der Denkmalpflege als erhaltenswert eingestuft.

Der unüberbaute Vorbereich des siebenstöckigen Büroturms auf der Migros-Parzelle soll auch im künftigen verdichteten Quartier freigehalten werden, wie es bei der Migros auf Anfrage heisst. Auf diese Weise solle «die städtebauliche Wirkung des Gebäudes gestärkt» werden.

Das heisst aber nicht, dass der Turm die Neubauten überragen wird. Im Gegenteil: Mit dem neuen Quartierteil soll das Nordquartier laut Richtkonzept «zur Bahn hin eine zweite Silhouette erhalten». Diese soll von «Hochhäusern unterschiedlicher Höhen, Formen und Staffelungen» geprägt werden – die einen bis 50 Meter, die anderen bis 65 und die höchsten bis 75 Meter hoch.

Die Baurechtsnehmerinnen neben der Migros Aare sind die Gebäudeversicherung Bern, Axa, Hessag AG, Halter AG und Alb. Wahlen AG. Als Gesamtprojektleiter haben sie Arthur Stierli von der Berner Ecoptima AG eingesetzt. Dieser weist auf Anfrage darauf hin, dass zur Wankdorffeldstrasse ein Richtkonzept vorliege, aber noch keine Projekte ausgearbeitet worden seien.

«Die konkreten Projekte im Areal Wankdorffeldstrasse werden später jeweils mit einem qualitätssichernden Verfahren – zum Beispiel einem Wettbewerb – noch erarbeitet», sagt Stierli. Mit dem städtebaulichen Konzept sei geklärt worden, ob und wie die angestrebte Dichte auf dem Areal umgesetzt werden könne. Dabei seien Themen wie Verkehr, Erschliessung, Klima oder Biodiversität «auch auf konzeptioneller Ebene mitgedacht » worden.

Die Dimension des Vorhabens sowie dessen wohnbaupolitische und städtebauliche Bedeutung zeigt etwa der Vergleich mit den beiden grossen aktuellen Arealentwicklungen, welche die Stadt auf eigenem Boden anstrebt: Auf dem Gaswerkareal ist Wohnraum für 700 Personen geplant, im Vierer- und Mittelfeld für 3000 Personen – bloss 500 mehr als an der Wankdorffeldstrasse.

Die Entwicklung verdrängt das Gewerbe

Anders als beim Viererfeld oder beim ehemaligen Gaswerk, wo Brachland und Grünfläche überbaut werden soll, geht die Entwicklung derWankdorffeldstrasse mit der Verdrängung des bestehenden Gewerbes einher. Dies sei «ein vielschichtiges Thema», heisst es dazu bei der Stadt, die als Planungsbehörde in das Projekt involviert ist.

Die Baurechtsnehmenden seien teilweise «selber Gewerbetreibende vor Ort und beabsichtigen, ihre Betriebe künftig an einen anderen Standort zu verlagern », so der städtische Infodienst. Solche Entwicklungen seien «eine gesellschaftliche Realität»; Grundeigentümerschaften wollten «ihre Areale entwickeln und entsprechende Renditen erwirtschaften».

Die Wankdorffeldstrasse liege im Premium-Entwicklungsschwerpunkt Wankdorf, «eine der zentralsten und besterschlossenen Lagen im Kanton Bern» – da entsprächen «flächen- und emissionsintensive Gewerbebetriebe nicht mehr den übergeordneten Zielen». Gleichzeitig «anerkennt » die Stadt, «dass Gewerbebetriebe einen relevanten Beitrag zur urbanen Vielfalt und zur Umsetzung der Stadt der kurzen Wege leisten».

Damit das Gewerbe nicht ganz aus der Stadt verdrängt wird, will die Stadt «an bestehenden Cluster- Standorten in der Industrieund Gewerbezone» festhalten, «insbesondere im Galgenfeld, im Korridor Freiburgstrasse in Bümpliz oder im Gebiet Güterund Weyermannsstrasse».

Berner Wankdorffeldstrasse
Flächen- und emissionsintensive Gewerbebetriebe entsprechen laut der Stadt «nicht mehr den übergeordneten Zielen».
Berner Wankdorffeldstrasse
«Eine zweite Silhouette für das Nordquartier» mit bis zu 75 Metern hohen Bauten: So könnte die Häuserzeile aussehen. Visualisierung: zvg
Berner Wankdorffeldstrasse
Diese 50’000 Quadratmeter sollen neu genutzt werden. Grafik: flo, mt
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