Dieser Artikel wurde von der «Berner Zeitung» zur Verfügung gestellt.

Direktor von Hirslanden Bern

«Drei Notfallstationen benötigen viele Ressourcen»

Spitäler haben im Moment besonders viel zu tun. Thomas Bührer spricht über diese strenge Zeit und darüber, wie er sich die Zukunft der Kliniken vorstellt.

Brigitte Walser
Thomas Bührer
Thomas Bührer ist der neue Chef von Hirslanden Bern. Dazu gehören die Kliniken Permanence, Beau-Site und Salem. Foto: Raphael Moser

Herr Bührer, seit Freitag ist das Tiefenauspital geschlossen: Wie stark wirkt sich das auf die Berner Hirslanden-Kliniken aus?
Es suchen mehr Personen unsere Notfallstationen auf. Im Moment kämpfen wir jeden Tag darum, dass wir allen Patienten, die ein Bett benötigen, ein solches bereitstellen können. Aber es gelingt uns recht gut – trotz Hochsaison.

Hochsaison wegen der Grippe?
Nicht nur. Wie immer zu dieser Jahreszeit haben wir auch viele geplante Operationen. Es gibt in den Spitälern saisonale Schwankungen, Ende Jahr ist jeweils Hochbetrieb. Wir stehen allerdings in gutem Kontakt zu den anderen Spitälern und koordinieren die Ressourcen gemeinsam. Bis jetzt können wir die Schliessung kompensieren.

Schutz und Rettung hat aber vermeldet, bei den Notaufnahmen seien Kapazitätsgrenzen erreicht.
Hinsichtlich der Kapazitäten ist die Situation auf unseren Notfallstationen in der Tat angespannt. Wir setzen aber alles daran, für die Patientinnen und Patienten aufnahmebereit zu sein, und koordinieren uns dafür auch mit den verschiedenen lokalen Leistungserbringern.

Tiefenau ist nun geschlossen, und vorher sind mit Ziegler und in Münsingen weitere öffentliche Spitäler verschwunden – wieso konnten sich die privaten halten?
Wir behandeln in unseren Hirslanden- Kliniken rund 10 Prozent der stationären Patientinnen und Patienten im Kanton Bern. Damit sind wir relevant für die Grundversorgung und wollen unser Angebot nicht nur aufrechterhalten, sondern auch nachhaltig entwickeln. Angesichts der oft nicht mehr kostendeckenden Tarife fällt das jedoch auch uns zunehmend schwer.

Schweizweit ist gut die Hälfte der Hirslanden-Patienten halbprivat oder privat versichert. Das spült doch Geld in die Kasse.
Im Kanton Bern sind es viel weniger. 75 Prozent unserer Patientinnen und Patienten sind allgemein versichert.

Hirslanden Bern schrieb in den vergangenen zwei Jahren Defizite. Wie wollen Sie als neuer Direktor aus den roten Zahlen kommen?
Wir benötigen Tarife, die unsere Leistungen decken. Sonst können wir gar nicht nachhaltig arbeiten.

Sagen Sie das auch als Prämienzahler?
Als solcher habe ich ein Interesse, dass die Politik Lösungen findet: Welche Leistungen werden über die Prämien bezahlt? Was sind Zusatzleistungen? Das gesamte Gesundheitswesen muss sich weiterentwickeln.

Also auch die Spitäler.
Ja, ich nehme mich da selbst in die Pflicht – auch als Arzt. Es gibt verschiedene Stellen, an denen man ansetzen kann.

Welche?
Einer meiner Leitsätze lautet: Pflegende und Ärzte zurück ans Bett, Administration dahin, wo sie hingehört.

Bei welchen Stellen wollen Sie noch ansetzen?
Wir müssen bei der Digitalisierung vorwärtsmachen – und zwar so, dass wir danach nicht zusätzliche Stellen benötigen, um unsere digitalen Systeme zu betreuen. Ich wünsche mir ausserdem eine integrierte Versorgung mit möglichst wenig Schnittstellen. Sie haben vorhin auf der Station gesehen, wie ein Arzt, eine Pflegeexpertin und eine Pflegefachfrau gemeinsam Visite machten. Das ist ein weiterer Punkt: Wir wollen unsere interprofessionellen Teams weiter ausbauen. Zum Beispiel indem wir Pharmazeuten auf die Station holen.

Hirslanden hat in Bern drei verschiedene Standorte.
Bewährt sich das? Die Standorte ergänzen sich gut. Die Klinik Permanence bietet vor allem Orthopädie an und leistet einen Beitrag an die Grundversorgung in Berns Westen. Die Klinik Beau-Site konzentriert sich auf spezialisierte und hoch spezialisierte Leistungen. Und das Salemspital ist sehr breit aufgestellt samt grosser Geburtenabteilung. Einige Bereiche wollen wir allerdings analysieren.

Sie planen eine Rochade?
Nein, aber wir betreiben derzeit in allen drei Kliniken eine Notfallstation, so verlangt es der Leistungsauftrag. Drei Notfallstationen benötigen aber viele Ressourcen, hier könnten wir Synergien nutzen. Wir suchen das Gespräch mit dem Kanton.

Wohin soll Ihre Analyse führen?
Wir wollen Patienten auf dem gesamten Lebensweg begleiten. Dazu müssen wir festlegen, welche Bereiche wir selber an welchem Standort anbieten und wofür wir externe Partnerschaften anstreben.

Einst hat Hirslanden eine Hausarztpraxis am Bahnhof Bern geführt, diese dann aber Medbase übergeben.
Das ist ein Beispiel für eine solche Partnerschaft. Wir bieten die Leistung nicht mehr selber an, gehen aber eine Kooperation mit Medbase ein, ohne dass die Wahlfreiheit des Patienten eingeschränkt ist.

Es rumort schweizweit in den Spitälern. Worauf ist die Unzufriedenheit des Personals zurückzuführen?
Vor lauter Suchen nach neuen Fachkräften gingen jene vergessen, die bereits in den Betrieben arbeiten und die eigentliche Arbeit leisten. Meiner Erfahrung nach hängt die Zufriedenheit massgebend von wertschätzenden Arbeitgebern und vom Mitspracherecht ab. Wichtig ist, dass man in kleinen flexiblen Teams die Planung mitgestalten kann. Da sehe ich Potenzial für künstliche Intelligenz: dass sie aufgrund der hinterlegten Wünsche des Personals Dienstpläne erarbeitet.

Wie stark trifft der Personalmangel Ihre Kliniken?
Er ist ein Fakt, den wir im Gesundheitswesen haben. Deshalb sind die integrierte Versorgung und Kooperationen so wichtig. So können wir die Ressourcen besser einsetzen.

Bevor Sie zu Hirslanden kamen, waren Sie stellvertretender Oberfeldarzt – ausgerechnet während der Pandemie. Was waren die Herausforderungen?
Wir waren für die medizinischen Fragen innerhalb der Armee zuständig. Etwa dafür, was zu tun ist, damit sich das Virus nicht via einrückende oder heimkehrende Armeeangehörige in der Schweiz verbreitet. Es gab eine Phase, in der Rekruten während sechs Wochen nicht nach Hause konnten – keine einfache Zeit. Eine unserer Massnahmen lernte ich schliesslich von zwei Seiten kennen.

Die Armeeeinsätze in den Spitälern?
Ja, diese plante ich in der Armee zusammen mit meinen Vorgesetzten. Danach wechselte ich aber zu Hirslanden. Dort kamen dann solche Einsätze zustande. Es gibt heute noch Verbindungen zu Armeeangehörigen, die bei uns einen Einsatz leisteten.


Der neue Direktor von Hirslanden Bern

Thomas Bührer arbeitet seit 2022 bei Hirslanden Bern, seit August ist er Direktor der Kliniken Salem, Beau-Site und Permanence. Davor war er stellvertretender Oberfeldarzt der Armee und zuvor leitender Arzt der Chirurgischen Notfallstation am Bürgerspital Solothurn. (bw)


afdn_dev_skyscraper.svg
afdn_dev_skyscraper_mobile.svg